Fern der Realität

Es gibt viele Dinge, die die Winzer an der Politik mächtig ärgern. Da ist zum Beispiel das Bestreben Brüssels, die Herstellung von "Kunstweinen" zu ermöglichen, weil das die Amerikaner wollen. Stichwort: Zulassung von Holzspänen im Wein, um diesen zu aromatisieren.

Ein anderes Beispiel ist die Erntehelferregelung. Die Bundesregierung, hier in Person von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering, will, dass ein Teil der osteuropäischen Saisonarbeitskräfte durch deutsche Arbeitslose ersetzt wird. Die Winzer protestieren nicht umsonst. Im vergangenen Herbst, als die Trauben binnen kurzer Zeit am Stock wegfaulten, fehlte es vielerorts an verlässlichen Lesehelfern. Viele große Güter, die laut Eckpunkteregelung der Bundesregierung 20 Prozent der Helfer (bei kleinen Betrieben gilt die Härtefallregelung zehn Prozent) mit deutschen Arbeitslosen bestücken mussten, waren der Verzweiflung nahe. Ein Betriebsleiter, der 20 deutsche Arbeitslose angefordert hatte, erinnert sich: "Nur drei sind überhaupt erschienen, am zweiten Tag waren es noch zwei, und am dritten Tag verschwand auch der letzte." Leider kein Einzelfall - "Kurt Becks Arbeitsloser" Henrico Frank lässt grüßen. Und für die Arbeit im Weinberg muss man noch nicht mal rasiert und gewaschen sein. Zugegeben: Die Arbeit im Steilhang oder auf dem Spargelfeld ist äußerst hart und wird außerdem schlecht bezahlt. Wenn jemand diese Arbeit nicht machen will, ist das seine Sache. Aber die Wein- und Obstbauern sollten nicht unter einer Regelung leiden, die offenbar fern der Realität ist. w.simon@volksfreund.de

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