Laute Ängste, leise Zahlen

Die Medien haben ein Thema. Das heißt "Vogelgrippe", und manchmal kann wirklich der Eindruck entstehen, einem völlig gesunden Kontinent drohe jetzt die asiatische Virenflut.

Die Medien haben ein Thema. Das heißt "Vogelgrippe", und manchmal kann wirklich der Eindruck entstehen, einem völlig gesunden Kontinent drohe jetzt die asiatische Virenflut.Dabei ist, was im Fachdeutsch "aviäre Grippe" heißt, vorerst jedenfalls nur ein laues Lüftchen im Vergleich zu den Virenstürmen, die alljährlich Europa heimsuchen und kaum jemanden aufregen. Zu Unrecht. Grippe ist nicht harmlos. Und dabei für viele tödlich.

Ängste kommen meist laut daher, zumindest wenn sie in die Öffentlichkeit geraten. Zahlen sind leiser, aber in der Regel deutlicher. Unter der Millardenbevölkerung Asiens, von der viele Menschen mit ihrem Geflügel eng zusammenleben, hat es zwischen Dezember 2003 und Oktober 2005 gerade mal 60 registrierte Vogelgrippentote gegeben. Im selben Zeitraum hauchten allein im 80-Millionen-Staat Deutschland mindestens 20 000 Grippekranke ihr Leben aus. Die meisten davon könnten sich noch ihrer Existenz erfreuen, wären sie nur rechtzeitig geimpft worden.

Es ist richtig, sich auf eine Vogelgrippen-Pandemie einzurichten, wie es in den längst beschlossenen Vorsorgemaßnahmen der Gesundheitsbehörden schon geschehen ist. Aber wichtiger bleibt, endlich im allgemeinen Bewusstsein zu verankern, wie gefährlich die Grippe, die uns Jahr für Jahr heimsucht, für viele werden kann - und dass diese Gefahr nicht zu den unabänderlichen Lebensrisiken gehört, sondern durch einen Arztbesuch und einen kostenlosen Pieks mit der Impfkanüle zu beheben ist.

Immerhin, die Aufregung über die Vogelgrippe hat einen positiven Nebeneffekt. Sie treibt nämlich immer mehr besorgte Bürger in die medizinischen Praxen. Dort werden sie dann gegen Grippe geimpft - gegen die ganz normale, versteht sich. Die ist und bleibt derzeit Gefahr Nummer eins.

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