Taxi für liebestolle Aale - Paarungsbereite Fische aus Mosel und Saar fahren zum Rhein

Trier/Saarburg/Köln · Heimische Aale haben ein Problem: Sie laichen ausschließlich in der Sargassosee, die schlappe 6000 Kilometer von Saar und Mosel entfernt liegt. Da nicht nur der halbe Atlantik sie von ihrem Ziel trennt, sondern auch viele Staustufen, hilft das Land. Rund 15 000 Fische werden jährlich gefangen und in einem Spezial-LKW flussabwärts transportiert.

Taxi für liebestolle Aale - Paarungsbereite Fische aus Mosel und Saar fahren zum Rhein
Foto: ARRAY(0x24f102fc0)

Trier/Saarburg/Köln. Sie sind schlangenförmig, lang gestreckt und so laichbereit, dass sie sogar ihre Farbe wechseln. Um sich vermehren zu können, sind die Tausenden älteren Aale, die in Saar und Mosel leben, allerdings auf ein Taxi angewiesen. Denn zwischen ihnen und der Sargassosee, wohin es die vom Aussterben bedrohten Fische zum Laichen zieht, liegen nicht nur Tausende Kilometer, sondern auch zahlreiche Stauwehre. Eine tödliche Gefahr. Würden die Blank aale - so nennt man die silbrig-grauen, geschlechtsreifen Tiere - auf ihrem Weg flussabwärts doch mit ziemlich hoher Sicherheit von den Wasserkraftturbinen zerschreddert. Wenn es da nicht die zehn Berufsfischer gäbe.

Gerade erst haben diese Fischer wieder 400 Aale in Reusen vor den Staustufen gefangen und auf einem Spezial-LKW Richtung Rhein gebracht. Dies teilt die zuständige Wasserbehörde SGD Nord mit. Das "Aaltaxi" bietet seinen Gästen geräumige Becken, die mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden. Um den Reisestart im Rhein möglichst schonend zu gestalten, gleiten die bis zu einen Meter langen Aale mit einem Wasserpolster durch ein glattes Rohr in den Fluss. 12 000 bis 15 000 Fische aus Saar und Mosel flutschen so jährlich in die neue Freiheit. Jenseits des Deutschen Ecks machen sie sich stracks auf in Richtung Florida. Eine Reise, von der sie nicht zurückkehren.

Denn nach dem Laichen sterben sie. Wochenlang zehren die Tiere, die Tausende Kilometer gegen den Golfstrom schwimmen, zuvor nur noch von ihren Fettreserven. Die Verwandlung vom Fluss- zum Meeresbewohner beginnt bereits in Mosel und Saar: Die Färbung wechselt von schlammig-grün zu silbrig-grau, die Augen vergrößern sich, die Fische hören auf, Nahrung zu sich zu nehmen. Denn der Verdauungstrakt bildet sich zurück, um den Geschlechtsorganen Platz zu machen.

Trotz dieser Verwandlung würden Aale nicht in der Mosel laichen. Das tun sie ausschließlich in Salzwasser. Wo aber kommen dann all die heimischen Aale überhaupt her? Schwimmt der Nachwuchs von der Sargassosee wieder zurück in die Saar? Brauchen die Kleinen dafür auch ein Taxi oder gelingt es ihnen, die Fischtreppen der Staustufen zu erklimmen?

Tatsächlich schwimmen die kleinen, weidenblattförmigen Aal-Larven mit dem Golfstrom zurück nach Europa. Etwa drei Jahre dauert das. Wenn sie an der Küste ankommen, wandeln sie sich zu sieben Zentimeter langen Glasaalen -, die in Südeuropa und Asien, sehr zu ihrem Nachteil, als Delikatesse gelten. Die, die überleben, schwimmen flussaufwärts ins Landesinnere. "Aufwärts geht es besser, weil die Fische klein sind und jede Möglichkeit nutzen", antwortet Rebecca Burghardt von der SGD Nord. Dennoch gelingt es wegen der Staustufen nur einem Bruchteil der Winzlinge, an Koblenz vorbei Richtung Trier und Saarburg vorzustoßen. Der Grund dafür, dass die Tiere hier dennoch in großer Zahl vorkommen, ist ganz einfach folgender: Das Land Rheinland-Pfalz lässt Jungfische aus der Nordsee in Mosel und Saar aussetzen.220 000 Euro für den Aalschutz


All die Aalpflege kostet Geld. 220 000 Euro stellt die RWE Power AG, die die Kraftwerke betreibt, jährlich zur Verfügung. Die Hälfte wird für fischereiliche Maßnahmen wie den Besatz genutzt. Die andere Hälfte für den Aalschutz sowie wissenschaftliche Studien zum Thema.
Noch bis Ende November ist das Fischtaxi wöchentlich auf Mosel und Saar unterwegs - sobald 100 Kilogramm Blankaale gefangen sind, wird ein neuer Transport Richtung Rhein organisiert.

In Europa werden die Tiere, die als stark gefährdet gelten, von der EU-Aal-Verordnung geschützt. Trotz aller Maßnahmen konnte der Abwärtstrend nicht gestoppt werden. Nicht nur Turbinen, auch Fischerei und Giftstoffe, Parasiten sowie hungrige Kormorane setzen den Aalen zu. Die Lebenserwartung der männlichen Tiere ist deutlich geringer als jene der weiblichen, da sie schon nach sechs bis neun Jahren geschlechtsreif werden. Weibliche Aale bleiben bis zu 15 Jahren in Mosel und Saar, ehe sie das Verlangen verspüren, flussabwärts zu schwimmen und dabei mit etwas Glück nicht in einer Turbine, sondern in einer Reuse landen.

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