Trauer ist keine Krankheit

TRIER. Wenn ein Mensch stirbt, verändert sich das Leben derjenigen, die er zurückgelassen hat. Damit zurechtzukommen, ist ein schmerzvoller Prozess. Dazu kommen viele ganz alltägliche Probleme. Hier greifen den Trauernden Selbsthilfegruppen und Institutionen unter die Arme.

"Jetzt ist Papa schon ein Jahr tot, das musst du doch überwunden haben." Nichts ist schlimmer für Hinterbliebene als solche Sätze, die nicht trösten, sondern verunsichern, die das Gefühl vermitteln, man sei "nicht normal". "Verwandte und Freunde sind oft überfordert von der Trauer - sei es einige Zeit nach dem Sterbefall, sei es direkt danach. Sie können nicht immer nachvollziehen, was in den Betroffenen vorgeht - oder wie sie ihnen helfen können", weiß Clarissa Schmithüsen, Diplompädagogin und Trauerberaterin, aus Erfahrung. Sie leitet unter anderem eine offene Gruppe für junge trauernde Menschen."Das Miteinander-Reden ist sehr wichtig", bestätigt auch Maria Knebel, Diplom-Sozialarbeiterin. Unter ihrer Leitung findet zweimal im Monat das "Lebenscafé für Trauernde" statt, eine Einrichtung der katholischen Familienbildungsstätte Trier. "Leben üben in der Trauer" lautet das Motto. "Leben üben, das heißt weiterzuleben mit der Trauer und sie nicht zu verdrängen." In das Lebenscafé zu kommen bedeutet keine große Hemmschwelle. "Hier können die Betroffenen zwanglos bei Kaffee und Kuchen beieinander sitzen. Keiner muss sich vorstellen, keiner muss erzählen", sagt Knebel. Vielmehr soll das Lebenscafé eine erste Anlaufstelle sein, von der aus die Trauernden zu Gruppen finden können, die für sie besser geeignet sind - beispielsweise die Selbsthilfegruppe "Gute Hoffnung - Jähes Ende" für Eltern, deren Kinder vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind, der Gesprächskreis für trauernde Eltern, die Trauerbegleitung für junge Menschen oder die Trauergesprächsgruppe für verwitwete allein erziehende Mütter und Väter."Manchmal entstehen im Lebenscafé auch Freundschaften zwischen den Trauernden, und sie können sich gegenseitig eine so gute Stütze sein, dass sie den Treff nicht mehr brauchen", erzählt Maria Knebel. "Trauern betrifft jeden Lebensbereich." Gerade in der Gruppe der verwitweten allein erziehenden Eltern komme noch ein Aspekt dazu: "Hier geht es ganz konkret darum, den Alltag alleine neu zu organisieren, mit allem zurecht zu kommen, was für die Kinder getan werden muss." Das Familienleben werde komplett verändert. "Kein Feiertag ist so wie früher", sagt Clarissa Schmithüsen. "Darum ist es an Tagen wie Weihnachten sehr wichtig, mit der Familie zu vereinbaren, ob über den Verstorbenen gesprochen wird oder nicht, ob sein Name genannt wird - sonst weiß keiner, wie er sich verhalten soll."Generell gebe es kein Rezept, mit Trauer umzugehen. Die Treffen in der Gruppe ermöglichten ein Sprechen mit Menschen, die in der gleichen Lage seien, einen Trost - "der andere hat es auch geschafft".Ein Ritual, das früher nicht im feierlichen Rahmen möglich war, ist der Abschied von sehr kleinen Kindern, genauer von Kindern unter 500 Gramm, die den Schritt ins Leben nicht geschafft haben. Bis zum Jahr 1998 wurden sie in den Krankenhäusern einfach "entsorgt". In Trier initiierte die Bestatterin Ulrike Grandjean die Aktion "Sternenkinder". Die Frühgeborenen bekommen ein Begräbnis. Die Grabstätte ist jedoch kein einzelnes Kindergrab, sondern ein Kindergrabfeld, die "Krokuswiese" auf dem Trierer Hauptfriedhof. Hier werden die Kinder in kleinen Särgen in Sternenform beigesetzt. "Es ist wichtig für die Eltern, ein solches Ritual zu haben", sagt Grandjean. "Wenn die Eltern der ,Sternenkinder' Gespräche wünschen, werden sie vom jeweiligen Bestatter an eine der Trauergruppen weiterverwiesen.""Ganz wichtig ist es, den Hinterbliebenen und allen anderen Betroffenen klarzumachen, dass Trauer keine Krankheit ist und also auch keiner Therapie bedarf", sagt Schmithüsen. "Trauer kann aber in Krankheit umschlagen, wenn sie unterdrückt wird, wenn das soziale Umfeld den Trauernden nicht auffangen kann, wenn die Trauer nicht gelebt und ein Stück weit zelebriert werden kann", sagt Maria Knebel. "Die eigene Biographie spielt eine große Rolle", ergänzt Schmithüsen.Hospizhäuser ideal für Trauerarbeit

"Für das Abschiednehmen und die Trauerarbeit sind Hospizhäuser ideal", sind sich Maria Knebel, Clarissa Schmithüsen und Ulrike Grandjean einig. Das Miteinander der Patienten und Pfleger, der liebevolle Umgang, das gezielte Füreinander Dasein in den letzten Tagen und Stunden - das könne schon ein erster Schritt zu einem fruchtbaren Umgang mit der Trauer sein.Hilfe für Trauernde gibt es bei der katholischen Familienbildungsstätte, Telefon 0651/ 74535, Krahnenstraße 39b, Trier (Lebenscafé, ein offenes Treffen für trauernde Menschen; Gesprächskreis für trauernde Eltern; Trauergesprächsgruppe für verwitwete allein erziehende Mütter und Väter). Kontakte zur Selbsthilfegruppe für Eltern, deren Kinder vor, während oder kurz nach der Geburt verstorben sind, gibt es unter Telefon 0651/18743. Trauerseminare bei der evangelischen Studenten- und Studentinnengemeinde (Im Treff 19, Trier) veranstaltet Clarissa Schmithüsen (Telefon 0651/15148), ebenso eine Trauerbegleitung für junge Menschen. Kontakt zur Aktion Sternenkinder (Beerdigung fehlgeborener Kinder unter 500 Gramm) bekommen betroffene Eltern unter anderem über das jeweilige Krankenhaus.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort