Wie ausgelastet sind Volksvertreter?

Berlin. Der Sturz des CDU-Politikers Hermann Josef Arentz ist tief. Eben noch Mitglied im Eliteclub des Präsidiums der CDU, Vorsitzender des Arbeitnehmerflügels CDA und Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, steht der 51jährige Kölner nach seiner "Lohnaffäre" praktisch vor dem Nichts.

Nachdem er am Montag bei der Neuwahl zum Präsidium durchgefallen war, und CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers wegen der bevorstehenden Landtagswahlen die Reißleine zog, musste Arentz nun auch seinen Verzicht auf das prestigeträchtige Amt des CDA-Chefs erklären. Auch zur Landtagswahl im Mai darf er nicht mehr antreten. Jetzt fürchten manche Abgeordnete, der Fall Arentz könnte womöglich eine Lawine lostreten: Angeblich existiert beim Energiekonzern RWE Power AG eine Liste mit 41 weiteren Namen prominenter Zeitgenossen, die ohne erkennbare Gegenleistung von den Segnungen der Überschüsse des Stromgiganten profitieren. Bestätigt wurde dies allerdings nicht. Ein RWE-Sprecher sagte unserer Zeitung, der Fall Arentz sei "singulär". Allerdings seien einige Mitarbeiter, die für politische oder kulturelle Zwecke ehrenamtlich tätig seien, von ihrer betrieblichen Aufgabe freigestellt. Damit erfülle die Power AG eine "gesamtgesellschaftliche Verantwortung". Ungeachtet dessen bewegen sich Politik und Wirtschaft bei der Verquickung ihrer Interessen fast immer im Bereich einer rechtlichen und ethischen Grauzone. Der Bundestag hat sich extra Verhaltensregeln gegeben, um die mannigfaltigen Nebentätigkeiten der Abgeordneten zu kontrollieren. Zahlreiche Volksvertreter üben neben ihrem Mandat noch Nebentätigkeiten aus, oft ehrenamtlich. Viele sitzen in Aufsichtsräten, Beiräten, stehen Stiftungen vor, haben Autorenverträge oder sind Vorstandsmitglied eines Unternehmens. Alle diese Tätigkeiten sind anzeigenpflichtig beim Präsidenten des Bundestages. Verdient ein Abgeordneter mehr als 3000 Euro im Monat oder 18 000 Euro im Jahr nebenher, muss er dies ebenfalls angeben. Ein ähnlich gelagerter Vorgang wie der Fall Arentz, der von der Power AG jährlich 60 000 Euro und ein Stromkontingent jahrelang umsonst bekam, ist im Bundestagspräsidium nicht bekannt. "Förmliche Verstöße" gegen die Verhaltensregeln, so eine Sprecherin, gebe es nicht. Allerdings fragt so mancher Abgeordnete, der sich ausschließlich auf sein Mandat konzentriert, wie einige Kollegen ihre weit reichenden Nebentätigkeiten mit den Aufgaben eines Parlamentariers vereinbaren können. Etwa der erst 34-jährige CDU-Politiker Christian Freiherr von Stetten: Seine Nebentätigkeiten füllen im Handbuch des Bundestages zwei Seiten mit 29 Angaben. Nur eine Nebentätigkeit gibt dagegen Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping an: Gastprofessur an der Tufts University in Massachusetts (USA). In der SPD-Fraktion wundert man sich deshalb nicht darüber, dass Scharping nur noch sporadisch im Bundestag anwesend ist. Die Fraktionsführung sieht allerdings keinen Anlass zur Kritik, zumal Scharping bei namentlichen Abstimmungen im Plenum "meistens da" sei. Was Arentz betrifft, ist er neben widersprüchlichem Verhalten auch über seine Eitelkeit gestürzt. Im Vorstand der Sozialausschüsse setzte er gegen Widerstände durch, dass Fußballfunktionär Franz Beckenbauer mit dem "Deutschen Zukunftspreis" der CDA ausgezeichnet wird. "Arentz wollte sich neben dem Kaiser sonnen”, meint ein Mitstreiter.

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