Terrorismus Glühwein unter Polizeischutz

Straßburg · Zwei Tage nach dem Anschlag hat der Straßburger Weihnachtsmarkt wieder geöffnet. Der Dank der Einwohner gilt den Sicherheitskräften. Der Attentäter ist tot.

 Der Straßburger Weihnachtsmarkt am Freitag.

Der Straßburger Weihnachtsmarkt am Freitag.

Foto: dpa/Marijan Murat

Die Kunden kommen noch zögerlich an den Stand mit Bio-Glühwein vor dem Palais Rohan in Straßburg. Mathilde steht hinter einem der Holzfässer und bereitet ihre Zutaten vor. „Ich bin immer noch benommen“, sagt die rotblonde Studentin, der nach der Wiedereröffnung der Schrecken noch anzusehen ist. „Wir sind hier alle wachsamer geworden.“ Am Dienstagabend hatte der Attentäter Chérif Chekatt nur ein paar Hundert Meter von ihrem Stand entfernt vier Menschen getötet und zwölf verletzt. Der weltberühmte „Marché de Noël“ wurde daraufhin für zwei Tage geschlossen. „Für mich hat der Geist von Weihnachten damit einen bitteren Beigeschmack bekommen.“

Die Hunderte Touristen, die sich am Freitag in den Straßen von Straßburg drängen, sehen das anders. „Richtige Weihnachtsstimmung kommt nicht auf, aber wenn es dunkel wird; ist das sicher anders“, bemerkt Ute Mohn aus dem hessischen Gelnhausen. Für sie und ihren Mann ist es der erste Besuch in Straßburg, und sie hatten ihn bereits vor Monaten geplant. Keine Frage, ihn wegen des Attentats abzusagen. „Wenn wir die vielen Polizisten sehen, fühlen wir uns sicher.“

Die Sicherheitsvorkehrungen rund um den Weihnachtsmarkt, der jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen anzieht, wurden nach dem Anschlag massiv verstärkt. An jedem der 15 Kontrollpunkte in die Innenstadt stehen Polizeiwagen, um die privaten Sicherheitsdienste zu unterstützen. Auch auf dem Weihnachtsmarkt patrouillieren Polizisten und Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag zwischen den 300 Ständen aus Holz.

„Die Sicherheit ist garantiert“, sagt Innenminister Christophe Castaner, der gegen elf Uhr als einer der Ersten den wiedereröffneten „Christkindelsmärik“ besucht. „Die Einwohner Straßburgs haben gezeigt, dass man dem Terrorismus nicht nachgeben sollte.“ Bewusst habe sich die Stadtverwaltung schon vor dem Tode Chekatts entschieden, den Weihnachtsmarkt wieder zu öffnen.

Polizisten hatten den 29-Jährigen am Donnerstagabend im Stadtteil Neudorf erschossen, nachdem rund 700 Beamte den Attentäter zwei Tage lang gesucht hatten. Den Durchbruch brachte ein Fahndungsfoto am Mittwochabend, das 800 Anrufe zur Folge hatte. „Jeder suchte das Gesicht dieses Terroristen“, schildert ein Einwohner im Fernsehen. Die entscheidenden Hinweise kamen von einem Mann und einer Frau, die den mehrfach Verurteilten in Neudorf auf der Straße erkannten. Daraufhin entdeckte die Polizei auch Blutspuren, denn Soldaten hatten Chekatt am Dienstagabend am Arm verletzt. Ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera kreiste über dem Viertel.

Als eine Polizeipatrouille dann um 21 Uhr die Rue de Lazaret entlangfuhr, fiel ihr ein Mann in schwarzer Daunenjacke mit Kapuze auf dem Kopf auf, der sie ebenfalls bemerkte. Er wollte sich in das Haus Nummer 74 flüchten, konnte aber die Tür nicht öffnen, berichtete der Pariser Anti-Terror-Staatsanwalt Rémy Heitz. Die Polizisten sprachen ihn vom Auto aus an, woraufhin er seine Waffe auf sie richtete. Die Beamten schossen zurück und töteten den Schützen.

„Danke an alle mobilisierten Kräfte. Unser Engagement gegen den Terrorismus ist vollkommen“, twitterte Präsident Emmanuel Macron aus Brüssel, wo er am EU-Gipfel teilnahm. Am Freitagabend wollte er sich in Straßburg persönlich bei den Einsatzkräften bedanken, die überall in Frankreich wegen der Proteste der „Gelbwesten“ derzeit stark beansprucht sind.

Auch die Straßburger zeigten ihre Anerkennung. „Ich habe viele Leute gesehen, die auf die Polizisten zugegangen sind und ihnen gedankt haben“, sagt Nadia Boes vom Fremdenverkehrsamt. Ein paar Hundert Meter von ihrem Büro entfernt spaziert ein Mann mit einem handgeschriebenen Zettel mit der Aufschrift „Danke an die Sicherheitskräfte“ über den Broglie-Platz. Schon am Donnerstagabend hatten die Menschen auf der Straße den Sicherheitsbeamten applaudiert, die den Attentäter aufgespürt und getötet hatten.

Der 27-mal verurteilte Chekatt, der in der Gefährderdatei stand, hatte bei seinem Tod einen Revolver aus dem 19. Jahrhundert, ein Messer und Munition bei sich. Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Attentat als Reaktion auf die Durchsuchung seiner Wohnung am Morgen alleine verübte. Dennoch beginnt nun die Suche nach möglichen Komplizen. Sieben Menschen, darunter vier seiner Familienmitglieder, sind in Polizeigewahrsam. Ein Bruder wird in Algerien gesucht. Für die Einwohner von Straßburg ist nach dem Tod des 29-Jährigen die Anspannung erst einmal vorbei. „Wir sind erleichtert“, sagt die Studentin Mathilde. „Aber es wird andere Attentäter geben.“

(dpa)
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