Die alten Männer haben gesprochen

BITBURG. (iz) "Bundesrecht gegen Roma-Recht", ein Ältestenrat gegen das Bitburger Schöffengericht: Eine interessante Konstellation, mit welcher sich Justitia in der Bierstadt zu beschäftigen hatte.

Sie hatte etwas Besonderes, diese Verhandlung im großen Sitzungssaal des Amtsgerichts Bitburg. Nicht nur für das Gericht, sondern auch für die Zuschauer. Das Schöffengericht Bitburg unter Vorsitz von Direktor Werner von Schichau hatte sich damit auseinander zu setzen, wie das Urteil eines "Familiengerichts" zu werten ist, wenn dieses gegen deutsches Recht verstößt. Eine nicht einfache Sachlage. Angeklagt war ein 24-jähriger Mann aus dem Kosovo. Vor einigen Jahren kam er nach Deutschland und heiratete eine Landsfrau, gemäß den Riten seiner Roma-Familie - "der Ältestenrat" der Sippe hatte es so beschlossen. Zwei Kinder brachte die Frau zur Welt. Immer wieder kam es zu Spannungen zwischen den beiden Ehepartnern. Zweimal schlug der Mann seine 20 Jahre alte Frau krankenhausreif. Grund: Sie wollte sich von ihm trennen. "Das muss der Ältestenrat beschließen", sagte der Angeklagte vor Gericht. Der Rat beschloss und entschied, dass der Vater die Kinder bekommt, "denn sie haben das Blut des Vaters." Eine der Kinder gab er zu seinem Cousin, eine zur Adoption frei. Der Vater reiste unterdessen mit einem Kind nach Schweden, da seine Duldung in Deutschland und der Asylantrag auf sich warten ließen. Doch dann sträubte sich die junge Mutter gegen das Ältestenurteil, das ihr die Kinder absprach. Ein Verfahren wegen Kindesentzug war die Folge. Die Frau wollte die Kinder wiederhaben. Das wiederum rief den Ältestenrat auf den Plan. "Ich hatte Angst um meine Familie und meine Tochter", berichtete der Vater der jungen Frau, der sich, wie es sich gehört, dem Urteil des Familienrats gebeugt hatte. "Ich bin Großvater, aber was soll ich machen, ich will Ruhe haben für meine Familie". Schön getrennt saßen nun die Familien der miteinander streitenden Ehepartner im Sitzungssaal; die des Angeklagten in der ersten, die Angehörigen der Frau in der letzten Reihe. Und die Luft im Saal knisterte förmlich bei den Zeugenaussagen. Immer wieder fragte das Gericht nach den Grundlagen und Handlungsweisen des Familienrats. "Das ist eigentlich so wie jetzt hier", sagt die junge Frau nach mehrmaligen Nachfragen, "da sitzen dann alte Männer und entscheiden".Bewährungsstrafe für den Angeklagten

Von Schichau gab den Beteiligten klar zu verstehen, dass das Abendland etwas moderner ist als das Morgenland: "Tja, bei uns dürfen die Frauen schon etwas mehr als bei ihnen". Heiterkeit bei beiden Familien. Eine einfache Lösung des Kinderproblems hatte der Verteidiger des Angeklagten. "Wenn beide doch das Urteil des Ältestenrats annehmen, dann brauchten wir uns doch nicht mehr damit zu beschäftigen", argumentierte der Anwalt. Das wiederum rief die Staatsanwaltschaft auf den Plan, die sofort intervenierte: "Entschuldigung, aber im rechtsleeren Raum leben wir in Deutschland nicht. Wenn nach deutschem Recht eine Straftat vorliegt, dann müssen wir auch einschreiten." Daher kam eine Einstellung des Verfahrens nicht in Betracht. Zehn Monate Haft auf Bewährung lautete das "Urteil des Bitburger Ältestenrats". Und wer sich gegen ein solches Urteil stelle, der müsse in einen "deutschen Knast einrücken", gab Amtsgerichtsdirektor Werner von Schichau den Prozessbeteiligten mit auf den Nachhauseweg.

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