Erster Sieg für die Bahngegner

Prüm/Gerolstein/Mainz · In der ersten Instanz haben die Gegner einer Reaktivierung der Bahnstrecke von Prüm nach Gerolstein einen Sieg errungen. Wie das Verkehrsministerium glaubt auch das Verwaltungsgericht Mainz in seiner jetzt vorliegenden Urteilsbegründung nicht, dass die Finanzkraft der Rhein-Sieg-Eisenbahn ausreicht, um die Bahnstrecke zu betreiben.

 Kein Durchkommen: Langsam aber sicher erobert die Natur die ehemalige Bahnstrecke zwischen Prüm und Gerolstein zurück, so wie hier am Bahnübergang bei Schwirzheim. TV-Foto: Christian Brunker

Kein Durchkommen: Langsam aber sicher erobert die Natur die ehemalige Bahnstrecke zwischen Prüm und Gerolstein zurück, so wie hier am Bahnübergang bei Schwirzheim. TV-Foto: Christian Brunker

Prüm/Gerolstein/Mainz. Was kostet es, die seit mehr als zehn Jahren vor sich hinrottende Bahnstrecke von Prüm nach Gerolstein zu reaktivieren? An dieser Frage kristallisiert sich der Rechtsstreit zwischen der Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE) aus Bonn und dem rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium.
Das private Eisenbahnunternehmen möchte die Strecke wiederbeleben und hat dies in Mainz beantragt. Doch ohne Erfolg: Im Ministerium schätzt man die Kosten für die Instandsetzung auf 1,5 Millionen Euro - eine Summe, über die die RSE nach Ansicht des Ministeriums nicht verfügt. Daher wurde die Betriebsgenehmigung verweigert.
Die RSE geht hingegen nur von Kosten von 275 000 Euro aus, unter anderem 118 000 Euro für die Überprüfung der Brücken sowie 15 000 Euro für einen neuen Bahnsteig in Prüm. Dafür reichten die Finanzmittel problemlos aus. Nun musste das Verwaltungsgericht Mainz entscheiden.
Die Richter kommen zu einem eindeutigen Urteil: nein (der TV berichtete).
In der nun vorliegenden Urteilsbegründung vermisst das Gericht belastbare Belege für die Kostenschätzung der RSE. Das Unternehmen habe "zur Verteidigung ihres eigenen Kostenansatzes keinerlei nachprüfbare Angaben gemacht, die - auf die konkrete Strecke bezogen - eine Überprüfung der einzelnen Kostenpositionen ermöglicht hätte", heißt es in der Urteilsbegründung. Und weiter: "Auch die angenommenen 104 000 Euro für Brücken, 18 900 Euro für Durchlässe sowie 37 500 Euro für Bahnübergänge lassen nicht im Ansatz erkennen, auf welchen überprüfbaren Parametern sie beruhen."
Das Ministerium hingegen stützt sich unter anderem auf eine Untersuchung des Landesbetriebs Mobilität (LBM), der alleine bei den Brücken von einem Investitionsbedarf von 520 000 Euro ausgeht, um sie für einen Radweg herzurichten. Bei einem Bahnbetrieb seien die Kosten noch höher. Insgesamt geht das Gericht von Investitionskosten von "mindestens einer Million Euro" aus. Dem stünden jedoch aufseiten der RSE keine verfügbaren Finanzmittel gegenüber. "Damit fehlt es bereits in Bezug auf die zu erwartenden Investitionen an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Klägerin [der RSE, Anm. d. Red]."
Doch damit nicht genug: Das Gericht bezweifelt auch, dass die RSE die Kosten für den laufenden Betrieb aufbringen kann. Auch hier gehen die Schätzungen deutlich auseinander.
Die RSE geht von jährlichen 71 540 Euro aus, das Ministerium erwartet hingegen einen Aufwand von 230 000 Euro - einen Betrag, den das Gericht als "nicht unrealistisch" ansieht. Diese Kosten seien durch zu erwartende Einnahmen nicht zu refinanzieren, meint das Gericht.
Keine Reserven


Es gebe lediglich eine Anfrage der Vulkaneifelbahn (VEB) für eine touristische Nutzung. Daraus seien Einnahmen in Höhe von rund 59 000 Euro zu erwarten. Noch zu vage, um sie abschätzen zu können, seien Einnahmen aus dem Güterverkehr. Selbst bei optimistischer Rechnung könne man allenfalls mit einem geringen Überschuss bei normalem Geschäftsbetrieb rechnen, damit sei man jedoch außerstande, auf außergewöhnliche Umstände - etwa einen erhöhten Unterhaltungsaufwand - zu reagieren.
So kommen die Richter zur gleichen Einschätzung wie das Verkehrsministerium: Die Finanzkraft der RSE reiche nicht für den verkehrssicheren Betrieb der Strecke. Die Klage ist abgewiesen, noch ist das Urteil allerdings nicht rechtskräftig.Meinung

Zeit für einen Schlussstrich
Es ist Zeit, die unselige Debatte um die Zukunft der Bahnstrecke zu beenden. Weil in Zeiten leerer Kassen die ideale Lösung mit Bahnstrecke und parallel verlaufendem Radweg zu teuer ist, kann die Priorität nur auf dem Radweg liegen. Dessen Vorteile überwiegen eindeutig den Nutzen einer Bahn-Reaktivierung, die nur den touristischen Schienenbus in den Sommermonaten bringen würde. Den Rest des Jahres - rund sechs Monate - läge die Strecke still. Einen nennenswerten Bedarf für Güterverkehr gab es bei der Stilllegung 1999 nicht, und bis heute hat sich daran nichts geändert. Dem gegenüber stünde ein Radweg, der den Bürgern und Gästen ganzjährig zur Verfügung stünde und eine wichtige Verbindung von Prüm- und Kylltalradweg wäre. Wie das Urteil des Verwaltungsgerichts nun deutlich zeigt, ist die Strecke überdies nur schwerlich kostendeckend zu betreiben - von den Ausgaben für die Reaktivierung ganz abgesehen. Denn diese müssen durch die Einnahmen refinanziert werden, was mehr als unrealistisch erscheint. Daher muss bezweifelt werden, ob ein privatwirtschaftliches Unternehmen den Betrieb der Strecke dauerhaft ohne öffentliche Zuschüsse leisten kann. Folglich nutzen die Gleise auf absehbare Zeit niemandem, daher wäre es sinnvoll, endlich den Weg für den Abbau der Strecke freizumachen. c.brunker@volksfreund.deExtra

Wie bewerten die beiden Parteien die Entscheidung des Verwaltungsgerichts? Man sehe sich in seiner ablehnenden Haltung durch das Urteil bestätigt, sagt Joachim Winkler, Pressesprecher des Verkehrsministeriums. Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, wolle man es aber noch nicht abschließend bewerten. Bei der Rhein-Sieg-Bahn gibt man sich zurückhaltend: Ob man gegen das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht in Berufung gehe, sei noch nicht entschieden, sagt Bahn-Betriebsleiter Daniel Preis auf Anfrage.ch

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