Fall um sexuelle Nötigung: Staatsanwaltschaft geht in Berufung

"Wegen verbleibender Restzweifel" ist am Dienstag vor dem Gemünder Amtsgericht ein mittlerweile 18-jähriger Schaustellergehilfe freigesprochen worden. Bei dem Prozess ging es um sexuelle Nötigung und versuchte Vergewaltigung.

Gemünd. Dem jungen Mann, der bereits mehrere Monate in Untersuchungshaft saß, hatte die Anklage vorgeworfen, während der Blankenheimer Kirmes 2010 eine damals 18-jährige Frau aus der Gemeinde Blankenheim sexuell genötigt und schließlich sogar den Versuch unternommen zu haben, diese in einer dunklen Ecke am Blankenheimer Weiher zu vergewaltigen.

Die Staatsanwaltschaft Aachen kündigte allerdings am Dienstag an, sie werde gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Anke Sefrin, die Vertreterin der Nebenklägerin, war ebenfalls nicht angetan von diesem Richterspruch. Sie sei von der Schuld des Angeklagten überzeugt gewesen. "Das habe ich noch nicht erlebt", machte sie ihrer Enttäuschung Luft. Staatsanwalt Sebastian Muhl hatte in seinem Plädoyer eine Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten gefordert.

Nach Auffassung der Anklage habe der junge Mann sich der versuchten Vergewaltigung strafbar gemacht. Dieser habe zunächst den Vorfall geleugnet. Verhaftet wurde am Morgen nach den Geschehnissen sein Bruder. Dieser war mit ihm und einem gemeinsamen Freund nach Deutschland gekommen, um als Schausteller etwas Geld zu verdienen.

Unschuldig saß der Bruder des Angeklagten einen Monat in Untersuchungshaft, bevor eine DNA-Untersuchung deutlich machte, dass nicht er, sondern sein Bruder an dem Vorfall beteiligt war. Nebenklage-Vertreterin Sefrin fragte: "Wieso hält man still, wenn der eigene Bruder in Haft sitzt?" Der Angeklagte habe seelenruhig abgewartet, bis das DNA-Ergebnis vorgelegen habe. Danach habe der Bruder "die nicht überraschende Einlassung" gemacht, es sei zwar zu sexuellen Handlungen gekommen, doch diese seien einvernehmlich erfolgt.

Bei der Angeklagten seien Druckverletzungen im Nacken- und Armbereich festgestellt worden, was auch den Schilderungen der jungen Frau entspreche. Demnach hätte der Angeklagte sie im Nacken gefasst und sie gezwungen, ihn mit der Hand zu befriedigen.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft war die Schilderung der jungen Frau schlüssig und kohärent. "Wenn ihr etwas nicht passt, stellt sie Personen zur Rede." Nicht gepasst hatten ihr vorher demnach offenbar die Annäherungsversuche des Angeklagten. Deswegen sei sie dem Angeklagten auch an die dunkle Stelle am Weiher gefolgt. Sefrin berichtete, hinterher habe die Frau sich gefragt: "Wie konnte ich nur so blöd sein und mitgehen?"

Der Staatsanwalt machte deutlich, dass er keine Zweifel an der Schuld des Angeklagten habe. Der Geschädigten gehe es heute sehr schlecht: Sie habe ihre Ausbildung abgebrochen und müsse sich einer Psychotherapie unterziehen.

Verteidiger Eric Geschwind machte demgegenüber geltend, der junge Mann, dem ein Dolmetscher zur Seite stand, habe mit der Frau etwas geflirtet, dann sei es zu einvernehmlich geschehenen sexuellen Handlungen gekommen.

Der Schausteller, bei dem der Angeklagte beschäftigt war, und seine Frau, die gestern im Gericht vernommen wurden, konnten die Situation kaum weiter erhellen. Ihnen seien keine Zudringlichkeiten während des fraglichen Abends aufgefallen. Keinen Glauben schenkte der Verteidiger der Aussage der Frau, dass sie den jungen Mann an einer dunklen Stelle habe zur Rede stellen wollen.

Sein Mandant habe nicht reagiert, als sein Bruder in Haft saß, weil er Angst gehabt habe, sich nicht habe verständigen können und fremd sei. Auch das Gericht war der Ansicht, dass man aus diesem Verhalten keine Erkenntnisse für den Tathergang ableiten könne.

Der Angeklagte hätte während dieser Zeit in sein Heimatland fliehen können, was er jedoch nicht getan habe. Die bei der Frau festgestellten Verletzungen seien nicht von solcher Art, dass daraus zwingend der von der Anklage geschilderte Tathergang herrühre.

"Uns bleiben Zweifel an der Täterschaft", sagte Richter Bergmann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort