Stellt euch vor, es ist Diskussion, und keiner geht hin (Video)

Bitburg · Die Jusos im Eifelkreis organisieren eine Gesprächsrunde für junge Parteimitglieder. Aber die Vertreter von FDP, CDU und AfD sagen kurzfristig ab. Was war da los?

 Von links nach links: Nils Köhl (Grüne Jugend), Stefan Tanner (Jungsozialisten), Moderator Lorenz Schütz und Manuel Eppers (Linksjugend). Der Platz rechtsaußen bleibt leer. TV-Foto:Christian Altmayer

Von links nach links: Nils Köhl (Grüne Jugend), Stefan Tanner (Jungsozialisten), Moderator Lorenz Schütz und Manuel Eppers (Linksjugend). Der Platz rechtsaußen bleibt leer. TV-Foto:Christian Altmayer

Foto: (e_bit )

Nur noch fünf Minuten. Die Bühne ist beleuchtet, die Mikros sind an. Statisches Rauschen kommt aus den Boxen. Alle sitzen sie schon auf ihren Plätzen und warten. Etwa hundert Schüler sind gekommen. Sie schauen zum Podium im Haus der Jugend, unterhalten sich leise. Gleich, um Punkt 14 Uhr, soll hier die Diskussion starten. Stefan Tanner (18) von den Jusos (SPD) hat sie organisiert und seine Gegenspieler eingeladen: Die Vertreter der Jugendorganisationen der Parteien AfD, CDU, FDP, Grüne und Linke. Gekommen sind nur drei von ihnen, und das ist es, was Tanner vor der Bühne auf und ab laufen lässt. "Wo bleiben die denn?"

Einige Minuten später die Gewissheit: Auch Martin Fischer von der Jungen Alternative hat abgesagt. Nur wenige Minuten bevor es losgeht. Und nur wenige Stunden nachdem die Jungen Liberalen und die Junge Union sich entschuldigen ließen. "Die haben mich heute Nacht irgendwann angerufen", sagt Tanner.

Bleibt nur noch rot, rot, grün. Aber die ganze Chose jetzt abzublasen, kommt für die Veranstalter nicht in Frage. The show must go on. Und so kommt es, dass um zehn nach zwei nur drei junge Redner das Podest betreten: Nils Köhl (17) von den Grünen, Manuel Eppers von den Linken und Stefan Tanner selbst. Die Plätze rechtsaußen bleibt leer. Es treffen sich also drei Linke auf der Bühne - ja, so könnte ein Witz anfangen. Und irgendwie ist es einer. Denn es geht auch noch ausgerechnet um Sozialpolitik, DEM Thema der Sozialdemokraten. Uneinig ist man sich folglich nur selten: Ja, Manager verdienen zu viel; ja, Arbeiter zu wenig; ja, wir wollen Steuern erhöhen; ja, wir wollen Chancengleichheit. Auch tauchen immer wieder die gleichen Feindbilder auf. "Böse Banken, böse Unternehmen, böser Schäuble, böse Agenda 2010!", so fasst das Abiturient Zois Kakionis zusammen, der sich während der Diskussion zu Wort meldet. Kein Wunder, dass Schülerin Karolina (19) am Ende "noch verwirrter ist als vorher": "Ich konnte die Meinungen kaum auseinanderhalten." Vielleicht hätte es geholfen, wenn der ein oder andere Konservative oder Liberale mal zwischengefeuert hätte.

Zu spät, aber die drei werden sicher gute Gründe gehabt haben, nicht zu erscheinen, oder? Fragen wir doch mal nach: Martin Fischer von der Jungen Alternative tut es, nach eigenen Angaben, sehr leid, dass er nicht kommen konnte. Ein Arzttermin sei dazwischengekommen, sagt er auf Anfrage des TV. "Durch einen Notfall hat es gedauert, bis ich drankam. Ich hätte es nicht mehr geschafft." Das erklärt allerdings nicht, warum er erst Minuten vor der Diskussion absagt.

Matthias Keidel von der FDP arbeitet im Mainzer Landtag. "Berufliche Verpflichtungen" hätten ihn daran gehindert, an diesem Tag aufs Podium zu steigen. Soll heißen: Es hat länger gedauert in der Landeshauptstadt. Auch er beteuert, es tue ihm "persönlich sehr leid". Normalerweise scheue er keine Diskussion.

Bei der Jungen Union hingegen macht man keinen Hehl daraus, dass man die Veranstaltung aus politischen Gründen gemieden hat. Carolin Hostert stand dem TV zwar selbst nicht Rede und Antwort, aber dafür der Vorsitzende Jan Herbst. Der sagt: "Das Thema Sozialpolitk hat so ein SPD-Geschmäckle." Die Christdemokraten hätten sich deshalb schon im März entschieden, nicht teilzunehmen. Damals habe er eine E-Mail an den Veranstalter geschrieben. Nur scheint die irgendwie nicht angekommen zu sein. Denn Tanner erfuhr laut eigener Aussage von erst durch einen Anruf in der Nacht vor der Diskussion von der Absage.Meinung

Jaja, die Jugend von heute..."Generation What": das ist ein Schlagwort, das man heutzutage häufiger liest. Es bezieht sich auf die 17-, 18- und 19-Jährigen. Politikverdrossen und uninteressiert am Weltgeschehen seien sie - so heißt es zumindest in diesen Studien. Im Haus der Jugend war das Bild ein anderes: An die 100 Schüler waren gekommen und wollten sich informieren. Vielleicht weil sie in diesem Jahr zum ersten Mal wählen dürfen, viellelicht weil sie noch nicht genau wissen, wo sie ihr Kreuz machen wollen. Am Ende gingen die meisten verwirrter aus dem Saal als sie hineingekommen sind. Die Schuld daran liegt aber nicht bei den Dreien, die redeten, sondern bei den Dreien, die dies nicht taten. Worüber sollten sich Eppers, Tanner und Köhl denn streiten, wenn sie sich größtenteils einig sind? Hut ab, dass sie zumindest versucht haben, das Gespräch interessant zu gestalten. Die Vertreter von CDU, AfD und FDP hingegen haben ihren Bildungsauftrag gehörig vermasselt. Egal was nun dazwischenkam - ob Arzttermin, Arbeit oder sonstwas - es besteht immer noch die Möglichkeit, jemand anderen fürs Podium zu nominieren. Die Teilnahme erst am Tag der Veranstaltung zurückzuziehen, zeugt in jedem Fall von schlechtem Stil. Da fragen sich Experten also seit Jahren, warum unsere Jugend das Vertrauen in die Volksvertreter verliert. Und was zu tun wäre, um diese Zielgruppe zu erreichen. Zu einer Podiumsdiskussion für eben diese Jugendlichen zu erscheinen, wäre doch schon mal ein Anfang. c.altmayer@volksfreund.de

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