"Tagesschau allein reicht nicht!"

Niemand ist objektiv, auch die Medien nicht: 400 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Handwerk wollten am Freitag beim 28. wirtschaftspolitischen Forum der Kreissparkasse Bitburg-Prüm im Haus Beda erfahren, was Focus-Herausgeber Helmut Markwort über "die Macht der Medien" zu sagen hatte.

 „Die Medien entscheiden, was oder wer in die Öffentlichkeit kommt“: Focus-Herausgeber Helmut Markwort beim wirtschaftspolitischen Forum im Haus Beda. TV-Foto: Rudolf Höser

„Die Medien entscheiden, was oder wer in die Öffentlichkeit kommt“: Focus-Herausgeber Helmut Markwort beim wirtschaftspolitischen Forum im Haus Beda. TV-Foto: Rudolf Höser

Bitburg. "Fakten, Fakten, Fakten" - jahrelang hat Helmut Markwort als Chefredakteur und Herausgeber des Focus im Werbespot mit diesen Worten für sein Nachrichtenmagazin geworben. Am Freitagabend schlägt der Gastredner des 28. wirtschaftspolitischen Forums der Kreissparkasse Bitburg-Prüm im Haus Beda allerdings andere Töne an. "Nicht die Fakten sind entscheidend, sondern die Meinung über diese Fakten. Und diese Meinung machen die Medien", sagt der 74-Jährige - inzwischen nur noch Focus-Herausgeber - zum Auftakt seines Vortrags über "die Macht der Medien".

Diese Macht sieht er vor allen Dingen darin begründet, dass die Medien die "Selektionshoheit" über die Informationen haben: Sie entschieden, was oder wer in die Öffentlichkeit komme und was wichtig sei und was nicht - indem sie auswählten und gewichteten. Was in die Zeitung komme - "was Sie aus dem Stadtrat erfahren” - das sei dem zuständigen Redakteur überlassen. Umso größer sei dessen Verantwortung.

Kurzweiliger, amüsanter Vortrag



Als wichtigstes Beispiel für die Auswahlhoheit der Medien nennt der bekannte Journalist die Tagesschau. Diese sei "oberflächlich und knapp" befindet Markwort, obwohl er wisse, "dass die Kollegen in Hamburg gute Arbeit machen". Es sei nun einmal eine Illusion zu glauben, dass in 15 Minuten alles drin sein könne. Die Macher der Tagesschau müssten aus einem Riesenangebot eine Handvoll Meldungen aussuchen - die möglichst noch für bewegte Bilder taugten. Die in der Tagesschau transportierten Informationen füllten keine Seite der FAZ, erklärt Markwort den mehr als 400 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Handwerk, die seinen kurzweiligen, mit Anekdoten gespickten Vortrag interessiert und oft auch amüsiert verfolgen.

Anhand weniger knackiger Beispiele macht der Focus-Chef deutlich, wie stark der Einfluss der Medien ist: Zum einen sei ein Thema oder eine Person, die in den Medien nicht behandelt werde, nicht existent. Zum anderen allerdings bestünde auch immer die Gefahr, dass die Medien für bestimmte Zwecke genutzt werden. Beispiel Müntefering: Dieser habe damals ganz bewusst seinen Vorschlag zur Rente mit 67 in einem Focus-Interview der Öffentlichkeit präsentiert - und nicht zuerst intern seinen Parteigremien. "Ein Husarenstreich", sagt Markwort: Denn andernfalls wäre der Vorstoß sicherlich schnell ad acta gelegt worden.

Gerade Politiker versuchten immer wieder, die Medien für sich zu instrumentalisieren und sich selbst zu inszenieren. "Ich weiß gar nicht, warum man das jetzt dem Guttenberg vorwirft", sagt der Focus-Chef, "das machen doch alle. Er kann es nur besser." Ein Journalist habe die Pflicht, immer die Balance zwischen Nähe und Distanz zu wahren. "Ich habe mich schon sehr gewundert, dass bei der Hochzeit von Gerhard Schröder alle Chefredakteure da waren", plaudert der 74-Jährige, "ja, ich war auch da - weil er meine Redakteurin geheiratet hat!"

Sein Appell: Zeitungen lesen



Auch die Online-Medien streift Markwort in seinem Vortrag. Über sie könnten Massen mobilisiert werden, wie das Beispiel der Proteste in der arabischen Welt zeige. Dennoch bleibt der Focus-Herausgeber gegenüber den neuen Medien skeptisch: "Man muss die Informationen gewissenhaft überprüfen."

Dies allerdings, so sein Fazit, gelte im Grunde für sämtliche Medien: "Niemand kann von sich sagen, dass er objektiv ist - also können auch die Medien nicht objektiv sein!" Deswegen gelte es, die Medien zu nutzen. "Tagesschau allein reicht dabei nicht", appelliert Markwort an seine Zuhörer, "ich kann Ihnen nur empfehlen, viele Zeitungen zu lesen." neb

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