Abkehr vom sanften Tourismus?

KANZEM. In einer teilweise sehr emotional geführten Sitzung befasste sich der Gemeinderat mit dem Thema "Wohnmobil-Stellplatz". Ein Beschluss dafür oder dagegen wurde indes nicht gefasst. Es gab lediglich Medienschelte und eine Empfehlung an die Investorin des Projekts.

Die Tagesordnung zur jüngsten Gemeinderatssitzung war nicht ohne Brisanz. Unter Punkt vier waren zum Thema Wohnmobil-Stellplätze verschiedene Berichte, eine Aussprache und eine "Beratung mit eventueller Beschlussfassung" vorgesehen. Die Schaffung von über 100 Stellplätzen war in der Gemeinde kontrovers diskutiert worden. Eine Bürgerinitiative hatte sich bereits dagegen ausgesprochen und Unterschriften gesammelt (der TV berichtete). Dass auch weiterhin ungeteiltes Interesse an dem Thema besteht, zeigte die große Anzahl von 26 Zuhörern. Die bekamen allerdings weder eine Aussprache noch einen Gemeinderatsbeschluss präsentiert. Konzept der Ökologie und Ökonomie bleibt

Auf Antrag von Ortsbürgermeister Günter Frentzen wurden diese Punkte kurzerhand von der Tagesordnung genommen. Als Begründung nannte der Ortsbürgermeister unter anderem die Eigentumsverhältnisse des vorgesehenen Areals. Lediglich ein Bericht über die Besichtigung eines vergleichbaren Stellplatzes in der Moselgemeinde Minheim sollte übrig bleiben. Den nutzte der Ortsbürgermeister zunächst zu einer sehr emotionalen Rede über die seiner Meinung nach "unerhörte" und "einseitige" Berichterstattung über das Thema im Trierischen Volksfreund, um die Ratsmitglieder und andere Interessenten anschließend mit der Aushändigung einer von der Investorin des Stellplatz-Projektes ausgearbeiteten Informationsschrift "neutral und umfassend" zu informieren. Frentzen betonte, dass die Ortsgemeinde weiter an ihrem Konzept des ökologischen und ökonomischen Gleichgewichts unter Berücksichtigung sozialer Belange festhalte und die Einrichtung von Wohnmobil-Stellplätzen dem nicht entgegen stehe. Wenig Konkretes aus Minheim

Von dem Besuch in Minheim, an dem neben Gemeinderatsmitgliedern und Vertretern der Bürgerinitiative auch die Investorin der geplanten Kanzemer Anlage teilgenommen hatte, konnte der Ortsbürgermeister den Zuhörern jedoch nur wenig Konkretes berichten. Zwar sei das Projekt bei den Bürgern der Moselgemeinde durchweg positiv angesehen. Die Auskünfte zu den "intensiven Fragen" an den dortigen Ortsbürgermeister wurden jedoch nicht weiter erläutert. Nur soviel: einziges Negativum sei der Hundekot, den die Haustiere der Wohnmobilisten in der Gemeinde hinterließen. Auf dem vorgesehenen Areal in Kanzem seien jedoch nur 60 Stellplätze möglich, weniger als in Minheim. Verbandsbürgermeister Winfried Manns betonte, dass die Wohnmobil-Stellplätze touristisch interessant seien. Standort ist nicht unproblematisch

Allerdings sei der vorgesehene Standort unweit der Grillhütte nicht unproblematisch. "Der Platz liegt im Außenbereich eines Naturschutzgebietes," sagte der Verwaltungschef. Zudem liege die Stelle in einem Überschwemmungsgebiet und sei als so genanntes FFH-Gebiet, in dem sich Rückzugsmöglichkeiten für bestimmte Pflanzen- und Tierarten befänden, besonders geschützt. Manns machte denn auch den konstruktiven Vorschlag, die Investorin möge im Rahmen einer Bauvoranfrage die Bedingungen klären lassen, unter denen die Errichtung eines solchen Stellplatzes überhaupt möglich sei. Die Statements der Fraktionen fielen denkbar knapp aus. "So etwas ist gut fürs Dorf", fasste Helmut Fürst für die CDU zusammen. Auch die SPD sei "mehrheitlich" für eine solche Anlage, meinte die Fraktionsvorsitzende Annette Frentzen. Die Freie Liste sei "offen" für dieses Thema, stellte deren Vorsitzende Rosa Vollmuth fest. Allerdings wünsche man sich mehr Informationen und eine intensivere Einbeziehung der Bürger in den Entscheidungsprozess. "Motorisierter Massentourismus"

Gelegenheit zur Stellungnahme erhielt auch der Sprecher der Bürgerinitiative. René Morbé rechnete die Anzahl der Gäste und der zusätzlichen Autofahrten anhand von Vergleichszahlen hoch und befand unter dem Beifall der meisten Zuhörer, dass die Einrichtung eines solchen Platzes "die eindeutige Abkehr vom sanften naturnahen Tourismus hin zum motorisierten Massentourismus bedeutet." Er kündigte ein Bürgerbegehren an, sofern der Gemeinderat eine "wie auch immer formulierte Förderung von motorisiertem Tourismus" beschließe. Diesen Beschluss gab es jedoch zunächst nicht. Vielmehr empfahl man der Investorin, eine Bauvoranfrage zu stellen. "Wir werden dieser Empfehlung folgen," meinte Christine Püttner, "dann werden wir weiter sehen." Die 38-jährige Diplomkauffrau sieht dem Ausgang gelassen entgegen. Sie habe auch andere Plätze außerhalb der Ortsgemeinde Kanzem für ihr Projekt im Visier.

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