Kreuzritter für den Frieden

KORDEL/COURCELLES-CHAUSSY. Der Krebs hat ihn besiegt. Henri Sturges, unermüdlicher Kämpfer für den Frieden und die deutsch-französische Versöhnung, ist tot. Sein Engagement für die Freundschaft zwischen "seinen beiden Völkern", "ses deux pays", war total. Deutsche und Franzosen trauern gemeinsam um ihn.

Ans Aufhören hatte der 79-Jährige noch längst nicht gedacht. War doch sein Terminkalender bis ins Jahr 2008 hinein randvoll gefüllt. Doch der Tod kam schnell. Dennoch: Henri Sturges hat sein Werk vollendet. Ein Mann des Friedens hat seinen Frieden gefunden.Aus Kordel zu "Hitlers letztem Aufgebot"

Am 12. Dezember 1926 in Kordel geboren, gehörte er 1943, gerade einmal 16 Jahre alt, zu "Hitlers letztem Aufgebot". Ein Jahr später, am 6. Juni 1944, erlebte der junge Henri (damals noch Heinrich) den Krieg in seiner ganzen Brutalität: die Invasion in der Normandie. Nahkampf im Schützengraben. Ihm gegenüber lag ein junger Amerikaner. Beide haben nur eine Wahl: Er oder ich. "Warum? Noch im Tode schien der Amerikaner das zu fragen. Angst und Verzweiflung standen in den Augen des Sterbenden", schrieb Henri Sturges in seinen Erinnerungen. Wenn er darüber sprach, kamen ihm die Tränen: "Krieg ist das Grausamste, was die Menschen sich antun können. Ich hatte das Glück, zu überleben." Sturges fühlte sich verpflichtet, für den Frieden und die Aussöhnung der Völker alles zu tun, was in seinen Kräften stand. Schon bald sollte er dazu Gelegenheit haben. Henri Sturges war nach Kriegsende 1945 einer von 38 000 deutschen Kriegsgefangenen, die eine Französin heirateten. Pikanterie des Schicksals: Den Vater seiner Henriette hatte die Gestapo als Mitglied der Resistance zum Tode verurteilt. Monsieur Carmier konnte entkommen. Doch die Vorstellung, einen Deutschen als Schwiegersohn zu haben, war ihm unerträglich. Dennoch wurde es eine glückliche Ehe. Vier Kinder gingen aus ihr hervor, zur Freude von Opa und Oma Carmier. Henri Sturges erster Beitrag zur deutsch-französischen Versöhnung war ein voller Erfolg. Dabei hatte sein Kreuzzug für Frieden, Freiheit und Freundschaft erst begonnen. Auf nahezu allen Ebenen zwischen Paris, Straßburg und Bonn engagierte er sich. Als Fremdenführer in Verdun wurde er angesichts tausender Soldatengräber nicht müde zu mahnen: "Nie wieder Krieg, plus jamais la guerre". Mit hohen und namhaften Persönlichkeiten hatte er Kontakt oder korrespondierte mit ihnen. In den verschiedensten Gremien und Organisationen bis hin zum Europäischen Parlament wurde man auf ihn aufmerksam. Allen überbrachte er seine Botschaft. Für seine Verdienste erhielt Henri Sturges zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. Deutschland belohnte ihn mit dem Bundesverdienstkreuz, Frankreich verlieh ihm den Orden der Ehrenlegion. Über all dem hatte Sturges nie seine Wurzeln vergessen. Sie lagen in Kordel, wo er geboren wurde, und in Courcelles, wo er mit seiner vor vier Jahren verstorbenen Henriette und seiner Familie lebte. "Wir sind ihm zu Dank verpflichtet. Er ist immer einer von uns geblieben. ‚Seine beiden Dörfer‘, ‚ses deux villages‘, in Freundschaft zu verbinden, war ihm stets ein besonderes Anliegen", betonten Kordels Bürgermeister Medard Roth und seine Stellvertreterin Alice Kauth anlässlich der Beisetzungsfeier."Papi Henri, Deine Worte leben weiter"

Viel Freude bereitete Henri Sturges das Gespräch mit Kindern. An den Schulen in Lothringen, Luxemburg, im Saarland und in Rheinland-Pfalz war der Jubel groß, wenn "Papi Henri" sich angesagt hatte. Bei der Trauerfeier in der Courceller Pfarrkirche St. Remy sprach die zehnjährige Amanda Delamarre für alle Kinder: "Papi Henri, wir versprechen Dir, dass Deine Worte weiter leben und nicht vergessen werden".

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