Vom Bittsteller zum Bürgerrechtler

Konz · Peter Musti sorgt dafür, dass Menschen mit Behinderungen in der Verbandsgemeinde Konz auf weniger Barrieren stoßen. Er hat etliche Bauprojekte geprüft und Behinderte beraten. Nach Ablauf seiner ersten Amtszeit als Behindertenbeauftragter nimmt er sein Ehrenamt vier weitere Jahre an.

 Wenn Bordsteine zu Hindernissen werden, ist der Behindertenbeauftragte Peter Musti gefragt. TV-Foto: Christian Kremer

Wenn Bordsteine zu Hindernissen werden, ist der Behindertenbeauftragte Peter Musti gefragt. TV-Foto: Christian Kremer

Konz. Was ist Ungleichheit? Und wie können wir sie bekämpfen? Das sind Fragen, die Peter Musti auf den Nägeln brennen. Um zu verdeutlichen, worum es ihm geht, erzählt der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Verbandsgemeinde (VG) Konz eine Anekdote: Fährt ein Rollstuhlfahrer am Wahltag zu seinem Wahllokal. Am Eingang ist eine Stufe. Wegen ihr kann der Mann das Wahlrecht nicht ohne fremde Hilfe wahrnehmen. Ein Bürgerrecht werde ihm verwehrt, spitzt Musti zu. Er sehe sich weniger als Bittsteller, sondern eher als Bürgerrechtler, der für Behinderte die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Lebens schaffen will.
Für Menschen ohne Behinderung ist das Frustrationspotenzial von Treppenstufen vor Wahllokalen schwer vorstellbar. Musti selbst kann es als Rollstuhlfahrer gut nachvollziehen. Er kennt aber auch die Sicht von Menschen ohne Behinderung. Musti ist seit 1961 gehbehindert. Seine Beine versagten ihm den Dienst, als er 15 war: Kinderlähmung! "Mitten in der Pubertät wurde ich von 100 auf null gebremst", erzählt er. Dabei sei er ein guter Sportler gewesen. Dann kamen die Krücken und später der Rollstuhl, während "die anderen tanzten".
Zur Beschreibung seiner Situation zitiert er den ehemaligen SPD-Chef Franz Müntefering ("Opposition ist Mist"): "Behindertsein ist Mist." Musti will aber das Beste herausholen.
Und die Bilanz seiner ersten Amtszeit fällt positiv aus. Der Konzer Bürgermeister Karl-Heinz Frieden ist so zufrieden mit der Arbeit, dass er Musti für vier weitere Jahre verpflichtet hat. Musti sei engagiert, kristisch und konstruktiv, meint Frieden. Die Zusammenarbeit sei gut, sagt Musti. Das Problem sei, dass das Thema der Barrierefreiheit nicht in den Köpfen sei.
Das zeigt seine Arbeit mit Bauplänen. Musti hat zum Beispiel angeregt, dass ins neue Konzer Schwimmbad nicht nur eine, sondern zwei Behindertentoiletten kommen.Es tauchen jedoch immer wieder Dinge auf, die Ungleichheit fördern, den Planern aber meist nicht bewusst sind. Beim Schwimmbad sei zum Beispiel bei den Umkleidekabinen für behinderte Schwimmer die Geschlechtertrennung nicht berücksichtigt worden, sagt Musti. Die Umplanungen laufen. Wichtig ist dem 68-Jährigen seine Arbeit als Berater von Behinderten. Zur Verdeutlichung schildert er einen Fall: Eine 21-jährige Rollstuhlfahrerin finde zurzeit weder einen Job noch eine Wohnung. Die junge Frau müsse in ihrem jetzigen Haus auf allen Vieren die Treppe runter- und hochkriechen. Ein untragbarer Zustand für Musti. Deshalb hilft er bei der Job- und Wohnungssuche. "Es gibt zu wenige barrierefreie Wohnungen", folgert er. Über zu wenig Arbeit kann Musti sich nicht beklagen. In den nächsten Monaten prüft er alle Schulen und Kindertagesstätten in der VG auf ihre Barrierefreiheit. Die Verwaltung will ermitteln, wie teuer die Inklusion, die Gleichstellung behinderter und nicht-behinderter Kinder wäre. Ob diese dann politisch gewollt oder umsetzbar ist, ist unklar. Klar ist aber, dass Musti weiterhin für gleiche Voraussetzungen kämpfen will.Meinung

Wichtig für die Gemeinschaft
Minderheiten brauchen eine starke Stimme. Deshalb ist die Arbeit eines Behindertenbeauftragten sehr wichtig. Wenn er seine Aufgabe ernst nimmt, verleiht er Seh- und Gehbehinderten, Gehörlosen und Menschen mit geistigen Einschränkungen eine gewichtige Stimme. Und der Konzer Peter Musti hat es in den vergangenen Jahren geschafft, sich Gehör zu verschaffen. Bei den kommunalen Gremien und Behörden stößt er nicht immer auf Gegenliebe. Darum geht es ihm aber auch nicht. Er ist nicht dazu da, kommunale Haushalte zu sanieren. Seine Aufgabe besteht darin, gleiche Voraussetzungen für alle zu schaffen - unabhängig von ihrer körperlichen und geistigen Verfassung. c.kremer@volksfreund.deExtra

Peter Musti hat sein Amt als erster Behindertenbeauftragter der Verbandsgemeinde Konz am 1. Oktober 2009 aufgenommen. Damit war er in der Region Trier der Erste, der sich im Auftrag einer Verwaltung um die Belange Behinderter gekümmert hat, bis am 1. Januar 2012 der Kreis-Behindertenbeauftragte Otmar Breidbach dazugestoßen ist. In der Stadt Trier wahrt seit dem 14. Januar 2012 ein Behindertenbeirat die Rechte der Behinderten. Neben zehn Bürgern mit Behinderungen sind die Stadtratsfraktionen und die Sozial-dezernentin in dem Gremium vertreten. Die Gründung des Behindertenbeirats war schon im August 2008 beschlossen worden. In der Folge wurde lange über die Zusammensetzung und die Satzung diskutiert. cmk

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