Alte Hasen gegen das Reich der Mitte

Berlin · Kehrtwende an der Spree: Nachdem Festivalleiter Dieter Kosslick im vergangenen Jahr gleich 15 Filmemacher zum ersten Mal ins Rennen um den Goldenen Bären schickte, setzt die Berlinale von morgen an auf Ausgewogenheit und richtet den Fokus auf China.

 Im Film „Tui Na“ erzählt Regisseur Lou Ye von den Sehnsüchten und Träumen der blinden Mitarbeiter einer chinesischen Massagepraxis. Im Bild: Xiaodong Guo und Lei Zhang.Foto: Berlinale/Travis Wei

Im Film „Tui Na“ erzählt Regisseur Lou Ye von den Sehnsüchten und Träumen der blinden Mitarbeiter einer chinesischen Massagepraxis. Im Bild: Xiaodong Guo und Lei Zhang.Foto: Berlinale/Travis Wei

Berlin. Claudia Llosa weiß, wie es sich anfühlt. Für ihren Film "Eine Perle Ewigkeit" nahm die Peruanerin 2009 bei den Internationalen Filmfestspielen in Berlin den Goldenen Bären entgegen. Auch Alain Resnais und Yoji Yamada dürfte die Teilnahme am Wettbewerb den Puls kaum in die Höhe treiben. Dafür sind der französische und der japanische Regisseur zu lange im Geschäft. Yamada, Jahrgang 1931, konkurriert bereits zum fünften Mal um den Hauptpreis, ist mit seinen 82 Jahren nicht einmal der Älteste im Wettbewerb. Kollege Resnais wird im Juni 92. Der Wegbegleiter der französischen Nouvelle Vague ist zum dritten Mal unter den Nominierten.
Aber auch jüngere Vertreter des bewegten Bilds blicken bereits auf eine bewegte Berlinale-Vergangenheit zurück. Der Norweger Hans Petter Moland (58) ist ebenso zum dritten Mal dabei wie der Franzose Rachid Bouchareb (54) und die Texaner Richard Linklater (53) und Wes Anderson (44), dessen schrille Ensemble-Komödie "The Grand Budapest Hotel" morgen die Berlinale eröffnet.
Statt verstärkt auf Neulinge, setzt Festivalleiter Dieter Kosslick in diesem Jahr wieder auf mehr Ausgewogenheit. Waren 2013 von 19 Regisseuren im Wettbewerb gleich 15 zum ersten Mal im Rennen um den Goldenen Bären, sind es in diesem Jahr nur zwölf von 20, darunter drei Debütfilme.
Boom im Reich der Mitte


Mit vier Filmen ist Deutschland am stärksten vertreten, gefolgt von China mit drei. Während drei der deutschen Teilnehmer bereits im Wettbewerb oder in anderen Sektionen in Berlin Erfahrungen sammelten, sind die Regisseure aus dem Reich der Mitte zum ersten Mal an der Spree. Ein Zeichen, das auch der Entwicklung der chinesischen Filmindustrie und der Kinogänger im Land des Lächelns Rechnung trägt. 2012 überholte China Japan als zweitgrößten Filmmarkt weltweit. Laut dem Branchenblatt Blickpunkt:Film legte der Riesenstaat 2013 mit über drei Milliarden US-Dollar Einspielergebnis im Vergleich zum Vorjahr (2,7 Milliarden US-Dollar) noch einmal deutlich zu. Geht es so weiter, ist 2020 die Vormachtstellung Hollywoods endgültig gebrochen.
Trotz des enormen Wachstums haben es chinesische Filme in den deutschen Kinos weiter schwer. Ein Schicksal, das China mit allen Filmnationen teilt, die nicht zur Europäischen Union gehören oder Vereinigte Staaten von Amerika heißen. Der Marktanteil US-amerikanischer Filme in deutschen Kinos lag 2012 bei 60,8 Prozent, gefolgt von Filmen aus EU-Ländern (19,8) und deutschen Produktionen (18,1). Alle anderen Nationen kamen zusammen auf den mickrigen Rest von 1,3 Prozent.
Als weltweit publikumsstärkstes Filmfestival ist die Berlinale auch immer ein Schaufenster in die Welt des Kinos, das kleine Einblicke gewährt, den die deutschen Kinos (noch) verwehren. 2014 auch in den Osten.Extra

Alle wollen ihn haben: den Goldenen Bären (Foto: dpa). Diese Figur gibt es auf der Berlinale als Preis für den besten Film. Berlinale ist der Name der Film-Festspiele in Berlin. Sie beginnen morgen. Dabei werden einmal im Jahr etwa 400 Filme vorgeführt. Einen Teil davon bewerten Film-Experten aus verschiedenen Ländern. Sie entscheiden, welchen Streifen sie am besten finden. Außerdem werden noch mehrere Silberne Bären vergeben, zum Beispiel für den besten Schauspieler. dpaExtra

Im offiziellen Wettbewerb um den Goldenen Bären konkurrieren vier in Deutschland entstandene Regiearbeiten. Feo Aladags Film "Zwischen Welten" handelt von deutschen Soldaten in Afghanistan. Dominik Graf zeigt "Die geliebten Schwestern" über den Dichter Friedrich Schiller und die Schwestern Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld. "Kreuzweg" von Dietrich Brüggemann erzählt die Geschichte einer 14-Jährigen, die ihr Leben ganz Jesus widmen möchte und dabei in Konflikt mit dem alltäglichen weltlichen Leben gerät. Edward Bergers Film "Jack" handelt von einem zehnjährigen Jungen auf der Suche nach seiner Mutter. dpa

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