Beeindruckend, berührend, befreiend

Trier · Noch bis zum 12. Dezember sind Arbeiten international anerkannter Fotografinnen und Fotografen auf den ersten Trierer Foto-Tagen zu sehen. Ein Halbzeitbericht.

 Küsschen: Bodo Korsig fotografiert Hunde-Enthusiasten in den USA. Foto: Museum

Küsschen: Bodo Korsig fotografiert Hunde-Enthusiasten in den USA. Foto: Museum

Wer sich alle Arbeiten der Foto-Tage in Trier anschauen will, sollte mindestens einen halben Tag einplanen. Immerhin sind an vier verschiedenen Standorten in der Trierer City Fotografien und Videoarbeiten zu sehen: im Stadtmuseum Simeonstift (täglich 10-18 Uhr, Montag Ruhetag), in den Viehmarktthermen (täglich 9-17 Uhr, Montag Ruhetag), im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum (Mo.-Sa. 9-17 Uhr, So. und Feiertage 13-17 Uhr) und im Frankenturm (täglich 17-19 Uhr).

Unter dem Motto "Leben elementar" hat der Kulturverein Bild und Kunst in Zusammenarbeit mit dem Berliner Foto-Experten Christoph Tannert und von Sponsoren unterstützt absolut sehenswerte Arbeiten von 22 Fotografinnen und Fotografen aus dem In- und Ausland zusammengetragen.

Enorm berührend sind zum Beispiel die Fotos, die Philip Toledano aus New York von seinem 98-jährigen Vater gemacht hat, der an Alzheimer leidet. Respektvoll zeigt er mit Nahaufnahmen und in ungewöhnlichen Perspektiven Momentaufnahmen seines Alltags in der Serie "Days with my father". Darunter ist ein beklemmendes Foto, das einen Papierschnipsel zeigt, auf dem der kranke und an Vergesslichkeit leidende Vater sich Fragen notiert hat, wo seine Familienmitglieder geblieben sind.

Beeindruckend sind die Arbeiten der gebürtigen Tschechin Elisa Bartek aus Luzern, die in großem Format spannende und farbsatte Nahaufnahmen von Magnolien zeigen. Bartek gelingt es, die Ästhetik der Natur ausdrucksstark zu interpretieren. Der in Trier und New York lebende Künstler Bodo Korsig nimmt das Thema "Schoßhunde" äußerst ironisch aufs Korn. Die ausschließlich in den USA entstandenen Fotos zeigen stolze Hundebesitzer, die sich von ihren Hunden küssen und abschlabbern lassen. Das zeigt Korsig unverblümt in Nahaufnahme und auch noch direkt geblitzt, so dass wirklich jedes Detail zu sehen ist. Einen ganz anderen Weg, weg von überscharfen und lehrbuchhaft ausgeleuchteten Fotos, geht Lina Kim aus Sao Paulo in Brasilien. Ihre Fotografien, die in Venedig entstanden sind, wirken geradezu befreiend. Besonders die Arbeit "Baboo and VJ" hat eine starke suggestive Wirkung. "Wenn ich das Bild anschaue, habe ich das Gefühl, als würde ich gerade aus einem Traum erwachen", sagt eine Besucherin ganz spontan, nachdem sie die großformatige Arbeit angeschaut hat. Das Bild zeigt eine Straßenszene unscharf und düster-nebelhaft. Insgesamt zeugen alle ausgestellten Fotografien und Videoarbeiten der Fototage von einem äußerst hohen Niveau und einer tiefen Ernsthaftigkeit, mit der die Künstlerinnen und Künstler gearbeitet haben. Wünschenswert wäre indes eine umfangreichere Beschriftung der einzelnen Arbeiten und eine längere Ausstellungsdauer, denn vier Wochen - die Foto-Tage haben Mitte November begonnen - sind für eine solche Schau einfach zu kurz.

Damit nicht für jedes Museum Eintritt bezahlt werden muss, gibt es ein Kombiticket, das jeweils einen Museumsbesuch ermöglicht. Eine Sondernummer der in Trier erscheinenden Kunstzeitschrift "die nacht" widmet sich den Foto-Tagen und dient als Ausstellungskatalog.

Meinung

Es geht auch anders

Dass ein Kulturprojekt auch ohne städtische Steuerungspoltik funktioniert, beweisen die "Fototage 2010 Trier". In Zeiten, in denen unaufhörlich über das Für und Wider der Trierer Antikenfestspiele diskutiert wird, hat der ehrenamtlich tätige Kulturverein Bild und Kunst leise, aber effektiv ein außerordentlich erfolgreiches Projekt auf die Beine gestellt. Mit einem professionellen Kurator und finanzkräftigen Sponsoren sorgen die "Fototage 2010" dafür, dass im In- und Ausland auf Trier und die Region geschaut wird. Das beweist schon jetzt ein positives Medienecho zum Beispiel in den Online-Ausgaben der Kunstzeitschrift "Art" oder der "Fotonews". Das Projekt "Fototage Trier 2010" ist die Blaupause für bürgerliches Kultur-Engagement der Zukunft! hp.linz@volksfreund.de

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