Der Star ist die Mannschaft

Ein Konzertprogramm, wie geschaffen für einen düsteren, verregneten November-Sonntag: Schumanns sehnsuchtsgetränktes a-moll-Klavierkonzert und Tschaikowskis Schwanengesang, die "Pathétique". Doch es wurde in der Luxemburger Philharmonie weit weniger depressiv, als man hätte annehmen können.

Luxemburg. (DiL) Volles Haus in der Philharmonie - wie immer, wenn die Grimaud spielt. Doch der Star an diesem Abend ist die Mannschaft, ganz im Sinne von Schumann, der weg wollte vom alten Klavierkonzert mit einem brillierenden Tasten-Giganten samt begleitendem Orchester.

Hélène Grimaud stellt sich schon vom Auftreten her ganz in den Dienst der Teamleistung. Nüchtern, fast hart ist das Klangbild, das sie liefert, kein süßlicher Romantizismus, in dem sich schwelgen ließe. Die Wirkung entsteht aus dem Zwiegespräch mit dem Orchester, bei dem Dirigent Wladimir Jurowski als exzellenter Übersetzer fungiert. Mal befeuert man sich gegenseitig, mal raunt man sich Geheimnisse zu, man lockt sich, streitet sich, vereinigt sich.

Immerhin geht es ja um eine Liebesgeschichte, freilich um eine zerrissene. Grimaud arbeitet das mit spannenden Rubati heraus, die ein Höchstmaß an Symbiose mit dem Orchester erfordern. Gewohnt kraftvoll ihr Anschlag, gerade auch mit der linken Hand. Aber die Tempo-Taschentücher können bis auf weiteres in der Tasche bleiben. So konsequent ordnet sich die Star-Pianistin ins Ensemble ein, dass sie sogar auf die anhaltend geforderte Zugabe verzichtet.

Aber da steht ja auch noch die zweite Hälfte an, mit Tschaikowskis finaler "Pathétique". Die Londoner haben schon zur Eröffnung mit einer transparenten, beweglichen Interpretation von Strawinskys "Bienenflug"-Scherzo Akzente gesetzt. Aber was der 36-jährige Dirigenten-Shootingstar Jurowski bei Tschaikowski aus dem Klangkörper herausholt, ist atemberaubend.

Die Sinfonie, vom Komponisten als "Schlussstein meines Schaffens" eingestuft, beginnt mit Bass-Klängen, die buchstäblich aus dem Nichts kommen. Tschaikowskis Lebensbilanz, mal Auflehnung, mal Schmerzensschrei, mal Hoffnungsschimmer wird mit allen Facetten ausmusiziert. Gerade hat man sich an die Elegie gewöhnt, da fahren die Trommeln wie ein Donnerschlag dazwischen. Ein Orchester, das förmlich an den lautmalerischen Bewegungen des Dirigenten klebt. Der leichte Spannungsabfall im 2. Satz entpuppt sich als Atempause vor dem furiosen Ritt durch den berühmten Marsch des 3. Satzes. Und zum Final-Satz lässt Jurowski, der Charismatiker, den ausgestreckten Arm gleich oben, unterbindet so das unsägliche Husten-Konzert im Saal und lässt die Sinfonie höchst intensiv, aber kein bisschen larmoyant ausklingen. Eine Wucht.

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