Musiktheater Jonglieren mit Raum und Musik

Trier · Die Kinder- und Jugendchöre am Theater Trier bringen mit „Krach bei Bach“ einen Mix aus Barockzeit und Moderne auf die Bühne. Musikalisch und szenisch fordert das Stück den jungen Künstlern hohe Disziplin und Konzentration sowie viel Können ab.

 Immer wieder gibt es Zoff rund um die Familie Bach, auch mit dem Chor in der Kirche.

Immer wieder gibt es Zoff rund um die Familie Bach, auch mit dem Chor in der Kirche.

Foto: Edouard Olszewski

Streit mit den Geschwistern, mit den Eltern und vielleicht auch dem Lehrer oder dem Nachbarn, das kennt jeder. Und jeder weiß, wie schwer es ist, sich zu konzentrieren, wenn man Zoff in der Familie oder mit dem besten Freund hat. Beim lautstarken Streit der Kinder und Jugendlichen im Probenraum des Theaters Trier in der Karthäuserstraße fällt es auch dem Beobachter schwer, einen klaren Kopf zu behalten. Doch das Chaos folgt geordneten Bahnen. Der vierstimmige Gesang entspricht der Partitur, jeder weiß genau, wo er hingehen soll. Und alle sind hochkonzentriert und diszipliniert. Sonst könnten Martin Folz und Ela Baumann nicht mit den Kinder- und Jugendchören das neue Musiktheaterwerk erarbeiten.

Einer, der sich selbst bei Lärm konzentrieren konnte, war Johann Sebastian Bach (1685 – 1750). Trotz des vielen Krachs zu Hause – kein Wunder bei so vielen Kindern auf engstem Raum – und bei der Arbeit, mit neidischen Kollegen, mit unfähigen Schülern, mit Vorgesetzten von der Universität, von Stadt und Kirche, schrieb er wundervolle Musikstücke, die noch heute oft gespielt werden.

Wie es zu Hause bei Familie Bach aussah und woher der Vater die Ruhe für seine Arbeit nahm, erzählt das Stück „Krach bei Bach“. Rainer Bohm (Musik) und Gabriele Timm (Libretto) haben es anlässlich des Bachjahrs 2000 geschrieben (Uraufführung im Leipziger Gewandhaus). Es begleitet die Familie Bach durch den Alltag. Und das Trierer Publikum kann ab Samstag, 7. April, 18 Uhr, dabei zuschauen.

Bis es so weit ist, gibt es noch zu tun. Zurzeit stehen die insgesamt 85 Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 20 Jahren – auch der Vorchor ist mit 15 Sängern dabei – täglich auf der Bühne und proben. Denn das Stück ist „heftig“, wie der musikalische Leiter Martin Folz sagt. Der Stilmix von barocken Originalwerken von Bach und moderner Musik verlangt den jungen Mitwirkenden nicht nur musikalisch einiges ab. Ein Novum für sie ist: „Das Stück verlangt viel Spiel“, sagt Folz. „Wir haben es aufs Minimum reduziert.“

„Regisseurin Ela Baumann hat einen anderen Aspekt reingebracht und die altbackenen piefigen Text­szenen aufgemischt“, sagt Folz. In der Neubearbeitung gibt es drei Figuren, die durch das Stück führen: Kunst, Tugend und Laster. „Musikalisch gehen wir durch alle Genres.“ Daher habe er die Zeit aufgehoben. „Manchmal befinden wir uns in der damaligen Logik, teilweise in der zukünftigen. Manchmal sehen wir Bilder von heute, ein anderes Mal die Familie oder eine Chorschule im Barock.“ Fast alle musikalischen Stücke des Werkes enthalten versteckte oder offene Zitate oder Themen aus Bach’scher Musik. Das Philharmonische Orchester spielt in klassischer Barockbesetzung und wird an passender Stelle durch eine moderne Combo-Besetzung ins Jetzt übertragen. „Das ist eine musikalische Herausforderung“, sagt Folz. „Wir jonglieren mit Raum und Musik.“

Die Bühne, die Regisseurin Ela Baumann und Ausstatterin Isabella Reder entwickelt haben, ist ein neutraler Raum und vielseitig nutzbar. „Mal ist die Bühne Kirchenraum, mal Hinterhof, mal Mittagstisch, mal Klausurraum, mal Schulhof, mal Kirchenplatz“, sagt Folz. Bei den Kostümen arbeitet Reder mit Elementen – so entstehen zum Beispiel Barockperücken aus buntem Schaumstoff.

 Immer wieder gibt es Zoff bei der Familie Bach.

Immer wieder gibt es Zoff bei der Familie Bach.

Foto: Edouard Olszewski

Baumann arbeitet seit Ende Februar szenisch mit den Kindern und Jugendlichen, meist in kleineren Gruppen. Selten hat sie alle zusammen. „In den Ferien haben wir jeden Tag Probe.“ Das Werk an sich besitze keine stringente Entwicklung, sagt Baumann. „Ich denke, das kann man verstärken. Ich habe versucht, mit Bildern die Vorstellungskraft der Kinder zu aktivieren. Ich lasse sie manche Passagen selber entwickeln, weil das der Situation nahekommt, die sie kennen.“ „Berührend finden wir die Momente, wenn der Chor die Original-Kantatensätze singt. Das sind tolle, starke Momente.“

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