Drachen am Pult, Monster hinter den Bänken

Trier · In einer Inszenierung der Theatergruppe sponTat unter Regie von Florian Burg hat die Komödie "Frau Müller muss weg!" in der Trier Tufa eine bejubelte Premiere gefeiert. Das Ensemble mit Akteuren der freien Theaterszene und des Theaters Trier gestaltete den gehaltvollen Stoff um einen Konflikt zwischen Eltern und Lehrerin als witzige, dichte und temporeiche Vorstellung.

 Theaterpremiere in der Tuchfabrik: Mutter Katja (Minja Anusic, links) gibt ein irreführendes Signal, indem sie Lehrerin Frau Müller (Lisa Höpel, rechts) einen Blumenstrauß überreicht, bevor Elternsprecherin Jessica (Yvonne Brasche, Mitte) zum Angriff übergeht. TV-Foto: Anke Emmerling

Theaterpremiere in der Tuchfabrik: Mutter Katja (Minja Anusic, links) gibt ein irreführendes Signal, indem sie Lehrerin Frau Müller (Lisa Höpel, rechts) einen Blumenstrauß überreicht, bevor Elternsprecherin Jessica (Yvonne Brasche, Mitte) zum Angriff übergeht. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Ein buntes Grundschulklassenzimmer zeigt sich den Theaterzuschauern auf der Tufa-Bühne. Da hängen gebastelte Herbstdrachen und stehen liebevoll eingeschlagene Kartons mit Kindernamen im Regal. Auch an plakatierten Leitsätzen für ein gutes Miteinander fehlt es nicht.
Und doch ist dies keine heile Welt. Denn hier brodelt der Zorn von fünf Viertklässler-Eltern. Die Noten ihrer Kinder haben sich verschlechtert, ausgerechnet vor den Zeugnissen, die über die weiterführende Schulform entscheiden. Und das Klassenklima ist unruhig - daran kann nur Lehrerin Müller schuld sein. Also muss sie weg, sie soll die Klasse abgeben.
Mit Elan und köstlich überspitzt


Von Beginn an steigt das Ensemble mit Elan ein, spielt mit köstlicher satirischer Überspitzung aus, wie sich die Eltern für ihren Angriff rüsten. Florian Burg schürt als Wolf, Vater von Janine, polemisch Stimmung gegen Müllers pädagogische "Stasi-Methoden" (Gesprächskreise). Hannah Swoboda und Stephan Vanecek fordern als Marina und Patrick, Eltern von Lukas, moralisch vertretbaren Umgang mit der Lehrerin ein. Und Yvonne Braschke als forsche Elternsprecherin Jessica und Mutter von Laura verbrämt ihre Krawallstimmung mit "zielgerichteter" Strategie, deren Oberhoheit sie unmissverständlich beansprucht.
Nur eine tanzt aus der Reihe, Minja Anusic als Katja, Mutter des Klassenbesten Fritz. Sie überreicht der bald eintreffenden Frau Müller Blumen. Umso größer ist der Schock für die von Lisa Höpel gespielte Lehrerin, als sie dann sehr direkt mit dem Anliegen der Eltern konfrontiert wird. Aber sie wehrt sich, erklärt, wo sie die Probleme sieht. Marina und Patrick erfahren, dass ihr Sohn Lukas ADHS hat und Fritz prügelt. Jessica muss sich anhören, dass Laura Entschuldigungen fälscht, und Wolf erfährt, dass Janine wenigstens in der Nähe sein sollte, wenn er für sie die Hausaufgabe macht.
Dann flieht Frau Müller, und die Eltern beginnen, sich mit Vorwürfen gegenseitig zu zerfleischen. Dabei liefern alle Darsteller mit ihrem je ureigenen komödiantischen Talent Glanzvorstellungen ab. Besonders jedoch Hannah Swoboda als Mutter, die die Wahrheit über ihren Sohn nicht verkraften kann, treibt dem Publikum mit furios gespielter Entrüstung, Wut und Trauer die Lachtränen in die Augen. Sie sorgt auch für die Einführung eines originellen "Running Gag", indem sie die Ursache für die Misere auf den Umzug der Familie aus Saarbrücken ins "ausländische" Trier schiebt.
Alle gemeinsam lassen mit Leidenschaft die Fetzen fliegen, sorgen mit Tempo, Slapstick-Einlagen und originellen Einfällen für Kurzweil. Damit kommen die eigentlich ernsten Untertöne des wendungsreichen und mit einer Pointe endenden Stücks wunderbar leicht herüber. Es geht um Leistungsdruck und Statusdenken, die gegenseitige Abwälzung von Verantwortung und Schuld, den Verfall von Werten wie Mitmenschlichkeit, Solidarität oder familiäre Stabilität.
Lutz Hübners Stück ist treffend beobachtet und hält uns allen einen entlarvenden Spiegel vor. In der spritzigen und witzigen Inszenierung des Trierer Ensembles fühlt sich manch einer im Publikum ertappt, begleitet allerdings von herzhaftem Lachen. Empfehlenswert für alle, denen Schule am Herzen liegt!
Weitere Vorstellungen am 22., 27. und 29. März, am 12. und 26. April. Es werden Gastspiele für Schulen angeboten, Kontakt über Hannah Swoboda unter:
kontakt@sponTat.de

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