Ein vergessener Pionier

Der Trierer Michael Hermesdorff ist die zentrale Figur der deutschen Kirchenmusik. Eine Ausstellung in der Dominformation zeigt ab heute, warum.

 Bereits mit zehn Jahren vertrat Michael Hermesdorff seinen Bruder bei Messen an der Orgel, mit 29 Jahren wurde er Domorganist in Trier. Foto: privat

Bereits mit zehn Jahren vertrat Michael Hermesdorff seinen Bruder bei Messen an der Orgel, mit 29 Jahren wurde er Domorganist in Trier. Foto: privat

Trier. Michael Hermesdorff ist in Trier ein Unbekannter. Dabei hat der ehemalige Domorganist die Kirchenmusik in Deutschland verändert. Und das gegen die Meinung des Vatikans. Eine Ausstellung in der Dominformation soll Hermesdorffs Wirken nun würdigen.

"Michael Hermesdorff ist fast unbekannt in Trier", sagt Michael Dahm. Er sitzt auf einem Stuhl im Orgelzimmers der Dommusikschule. Er blickt aus dem Fenster hinüber zum Trie rer Dom. "Von diesem Ort aus hat er die Kirchenmusik seiner Zeit ganz schön durcheinander gebracht."

Michael Hermesdorff wurde 1833 in Trier geboren. Früh erkannte sein Bruder sein musikalisches Talent und brachte ihm das Orgelspielen bei. Mit Erfolg: "Bereits mit zehn Jahren vertrat er seinen Bruder bei Messen an der Orgel", erklärt Hermesdorff-Experte Michael Dahm. Der 32-jährige Kirchenmusiker hat sich intensiv mit Hermesdorffs Arbeit beschäftigt.

Vereinfacht und falsch übermittelt



Nach seiner Priesterweihe wurde Michael Hermesdorff 1862 Domorganist in Trier. In dieser Zeit beschäftigte er sich besonders mit gregorianischen Chorälen des Mittelalters. "Er empfand die damals vorherrschende Choralmusik als Trümmerhaufen", erklärt Dahm. Der Grund: Über die Jahrhunderte wurden die Tonlagen, Melodien und Rhythmen vereinfacht und teils falsch übermittelt. "Mit den Ursprüngen hatte das nur wenig zu tun", sagt Choralforscher Dahm. Der Trierer Domorganist Hermesdorff wollte zurück zur Tradition. Der ursprüngliche Choral sollte wieder in den Kirchen zu hören sein. Doch er hatte eine Problem: "Die Melodien der alten Musik waren mit Zeichen beschrieben, die keiner mehr verstand", erklärt Dahm. Er habe zunächst lernen müssen, diese Zeichen zu lesen, ehe er sie spielen konnte. Doch in mühsamer Kleinarbeit entschlüsselte er den alten Musikcode. Eine Pionierleistung.

Sein Vorhaben hatte jedoch einen mächtigen Feind: den Papst. Dieser hielt nichts von seinen Plänen. Hermesdorff habe sogar einen Brief an den Papst geschrieben, sagt Dahm und verzieht das Gesicht, "die Antwort war eine bittere Abfuhr."

Michael Hermesdorff schockte das nicht. Er fand Verbündete und nutzte die Kraft der Worte: "Er brachte die Zeitung Cäcilia heraus. Ein Blatt für Choralforscher mit großem Einfluss." Sogar in Nordamerika lasen Choralexperten seine Zeitung und unterstützten den Trierer Organisten. Den Erfolg seiner Arbeit erlebte Hermesdorff, der von 1874 bis zu seinem Tod 1885 Dommusikdirektor war, nicht mehr.

Sein Leben in einem neuen Licht



125 Jahre später widmet sich nun eine Ausstellung in der Dominformation dem Leben des Kirchenmusikers. Für den Organisator Michael Dahm eine Aktion gegen das Vergessen: "Jahrzehntelang war über Hermesdorff und seine Leistung nur wenig bekannt. Das soll sich nun ändern. "Neben bisher unbekannten Erbstücken aus dem Nachlass des Musikers zeigt die Ausstellung auch seltene Dokumente, die das Leben Hermesdorffs in ein neues Licht rücken." Zur Ausstellungseröffnung wird sein Wirken sogar hörbar: "Traditioneller Choral und die veränderten Fassungen werden nacheinander gespielt", erklärt Dahm und fügt lächelnd hinzu: "Den Unterschied wird man merken."

Extra

Die Ausstellung "Michael Hermesdorff - Ein Pionier des gregorianischen Chorals" ist vom 8. Oktober bis 21. November in der Dominformation geöffnet. Zahlreiche Veranstaltungen begleiten die Ausstellung. Der Eintritt ist frei. Mehr unter www.dommusik-trier.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort