Faszinierende Zeitreise in den Barock

Opern-Inszenierungen der Neuzeit unternehmen meist den Versuch, die Musik und den Stoff aus aktueller Perspektive zu betrachten. Der Franzose Benjamin Lazar hat sich darauf spezialisiert, 300 Jahre alte Werke punktgenau in der Ästhetik ihrer Entstehungszeit zu zeigen.

Luxemburg. (DiL) Was sich leicht als Griff in die Mottenkiste erweisen könnte, wird zu einem wundersam faszinierenden und höchst lebendigen Museumsbesuch. Prächtige Kostüme, opulente Bühnenmalerei, unterhaltsame Theatermaschinen, Kerzen-Beleuchtung, stilisierte Bewegungen: Was Lazar und sein begnadetes Ausstattungs-Team (Bühne: Adeline Caron, Kostüme: Alain Blanchot, Licht: Christophe Naillet) auf die Bühne des Grand Théâtre zaubern, ist der Blick in eine längst vergangene Welt. Und zwar weitgehend mit jenen Mitteln gestaltet, die auch den Theatermachern im späten 17. Jahrhundert zur Verfügung standen. Mit ein bisschen Fantasie kann man sich vorstellen, welche Wirkung die fliegenden Menschen, Feuerwerke und Geräusch-Effekte auf Lullys Zeitgenossen hatten.

Dazu die Musik mit ihrem inneren Gleichmaß, mit ihrem Wohlklang und der zurückhaltenden Dynamik: Das hat was von einem Schnellkurs in Entschleunigung, den das Publikum im voll besetzten Theatersaal erlebt. Drei Stunden Abwesenheit von Krisen und Geschäften, von Hektik und Drama, stattdessen eine sagen-hafte Handlung von Göttern und den Prüfungen, die sie Menschen auferlegen - natürlich mit Happy End für die Liebenden Cadmus und Hermione.

Der Chor, die Tänzer und das Orchester "Du poème harmonique" unter Leitung von Vincent Dumestre fächern das musikalische Spektrum nach etwas verwaschenem Beginn prächtig und präzise auf, vom traurigen Lamento über schwelgerische Zwischenspiele bis zum triumphalen Einmarsch der Götter.

Die Abstimmung zwischen Bühne und Graben ist so perfekt wie das Timing der Sänger. Alle 17 Solo-Partien sind - welch ein Luxus - sorgfältig und rollendeckend besetzt. André Morsch leiht seinen klangschönen, kultivierten und trotzdem raumfüllenden Bariton dem Cadmus, Claire Lefilliâtre singt die Hermione berührend schön. Auffällig die Vielzahl toller Frauenstimmen (Angélique Noldus, Luanda Siqueira, Eugénie Warnier). Begeisterter Beifall.

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