Heimatlos zwischen zwei Welten

Seitdem Sabine Kuegler ihre autobiografische Geschichte über ihr Leben im Dschungel von West-Papua (Indonesien) aufgeschrieben hat, ist sie in den Medien die "Dschungelkönigin". Im Interview mit TV-Redakteurin Stefanie Glandien äußert sich die Schriftstellerin kritisch zum Thema Entwicklungshilfe.

 Sabine Kuegler trifft ihre Freunde aus der Kindheit Bare (links) und Tuare wieder. Foto: Earth of Dreams Media GmbH

Sabine Kuegler trifft ihre Freunde aus der Kindheit Bare (links) und Tuare wieder. Foto: Earth of Dreams Media GmbH

Daun/München. (sn) Als Kind lebte sie im Urwald in West-Papua, aß Würmer, sammelte Tiere wie andere Leute Briefmarken und spielte mit den Fayu-Kindern Fangen, während ihr Vater, Missionar und Sprachforscher, versuchte, den Ureinwohnern die Blutrache auszureden. Sie gründete eine Verlagsgesellschaft und schrieb drei Bücher. Am Freitag, 9. Mai, kommt das "Dschungelkind" im Rahmen des 8. Eifel-Literatur-Festivals, das vom Trierischen Volksfreund präsentiert wird, nach Daun. Frau Kuegler, wo wohnen Sie zur Zeit?Kuegler: Ich lebe in München.Und wo ist Ihre Heimat?Kuegler: Meine Heimat ist einerseits Deutschland, andererseits Papua. Ich habe aber keinen Ort, wo ich sagen würde, da bin ich 100 Prozent zu Hause. Von der Kultur her fühle ich mich in Papua wohler.Als Sie mit 17 Jahren in die Schweiz zogen, war das für Sie eine andere Welt. Was war damals die größte Umstellung für Sie?Kuegler: Das waren zwei Sachen: Die Hektik - der Zeitablauf in der westlichen Welt ist extrem schnell im Vergleich zum Leben im Urwald. Außerdem haben die Menschen eine ganz andere Mentalität. Nach 15 Jahren waren sie erstmals wieder im Dschungel, danach noch häufiger. Sie leben aber in Deutschland. Warum?Kuegler: Ich habe mir in Deutschland ein Leben aufgebaut. Meine Kinder leben hier, ein Kulturwechsel wäre für sie zu schwierig.Und was ist ihr neues Lieblingsessen? Doch nicht etwa gegrillte Insekten?Kuegler: Nein. Das war typisch Kind, alles auszuprobieren. Meine Eltern haben vieles nicht gegessen, was ich gegessen habe. In Deutschland esse ich am liebsten Schweinebraten mit knuspriger Kruste, Rotkraut und Knödel. Im Dschungel schmeckt mir Wildschwein und geräucherter Fisch. Außerdem esse ich gerne Indonesisch. Ich bin mit Reis groß geworden.Haben Sie mal überlegt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie im Dschungel geblieben wären - vielleicht als Frau eines Fayu?Kuegler: Ich hatte nie vor wegzugehen. Der Dschungel war mein zu Hause. Einen Fayu zum Mann zu haben, könnte ich mir nicht vorstellen, einen Papuaner hätte ich heiraten können. Sie engagieren sich für Frauen in armen Ländern, haben jetzt ein Buch geschrieben ("Gebt den Frauen das Geld!"). Sehen Sie sich als Entwicklungshelferin?Kuegler: Ich bin eher gegen die Entwicklungshilfe. Ich bin in Indonesien aufgewachsen und habe sehr viel mitbekommen. Entwicklungshilfe macht oft mehr kaputt, als dass sie hilft. In der westlichen Welt glauben wir zu wissen, was gut ist für die Armen in der Dritten Welt und erreichen oft genau das Gegenteil. In ihrem jüngsten Buch plädieren Sie dafür, Frauen in armen Ländern das Geld zu geben, warum?Kuegler: Frauen sind die, die mit Geld gut wirtschaften. Frauen geben Geld für ihre Kinder, deren Ausbildung und für Nahrung aus. Um Armut erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir ganz am Anfang, bei den Kindern, ansetzen. Kinder müssen in die Schule gehen können. Dann finden sie später eine Arbeit und kommen so aus der Armutsfalle raus. Männer setzen Geld dafür ein, wofür sie programmiert sind: Sie wollen das Prestige ihrer Familie erhöhen und kaufen dafür etwas Repräsentatives, wie zum Beispiel ein Fahrrad. Oder sie geben es für die Mitgift ihrer Tochter aus. Woraus werden Sie lesen?Kuegler: Aus meinen ersten beiden Büchern, über mein Leben im Dschungel. Termin: Freitag, 9. Mai, 20 Uhr, , TechniSat-Kundenzentrum, St. Laurentiusstraße 45 in Daun. Karten zur Lesung gibt es in den TV-Presse-Centern in Trier, Bitburg und Wittlich.Zur Person: Sabine Kuegler wird am 25. Dezember 1972 in Patan, Nepal geboren. Sie ist die Tochter eines deutschen Missionars. Als sie fünf Jahre alt ist, ziehen ihre Eltern nach Indonesien, wo sie bei den Fayus leben, einem Stamm, der heute noch wie in der Steinzeit lebt - ohne Kontakt mit der Außenwelt. Mit 17 Jahren geht sie auf ein Schweizer Internat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort