Im Dreivierteltakt zum Idyll

Die heile Welt hat in Trier ihren Platz gefunden. Von der Kraft opulenter Schlager getragen, prall, bunt und sacht pikant präsentiert sich "Im Weißen Rössl" auf der Operettenbühne des Theaters.

 „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein:“ Josepha Vogelhuber (Evelyn Czesla) erklärt Wilhelm Giesecke (Hans-Peter Leu) die Schönheiten ihrer Heimat. TV-Foto: Friedemann Vetter

„Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein:“ Josepha Vogelhuber (Evelyn Czesla) erklärt Wilhelm Giesecke (Hans-Peter Leu) die Schönheiten ihrer Heimat. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Lustig sein, ja das kann man in diesem Salzkammergut fürwahr. Das Lied aus dem Mund der Wirtin Josepha Vogelhuber dient sich als Motto der Rössl-Aufführung im Theater Trier zugkräftig an. Denn der Zuschauer darf an diesem Abend vor allem eines: Schwelgen. Schwelgen in einer nahezu utopisch sorglosen Welt, die im Dreivierteltakt tanzt. Tritt ein und vergiss' deine Sorgen. Fast surreal wirkt die naiv-heitere Szenerie, in die das Publikum von den Schauspielern hineingezogen wird. Schon auf den Fluren des Theaters grüßen Zimmermädchen und Ober in adrettem, liebevoll ausgeschmücktem Kostüm (Carola Vollath).
Ehepaar schwebt in einer Wolke hinab



Das strahlend blaue Bühnenbild verstärkt den Eindruck: Es wird bunt. Vielleicht hier und da etwas zu bunt. Da lenken die gigantischen Blüten vor glitzerndem Hintergrund ab von der schmucken Bühnenausstattung mit dem urigem Gasthof, der sich, da drehbar, in eine Scheune verwandeln lässt, die wiederum Treffpunkt allerlei "Gspusis" ist.

Diese sind die treibende Kraft des Stücks. Die Liebe wird erklärt, verschmäht, doch immer gesucht, stellenweise sacht frivol pointiert und findet ihre kitschige Verkörperung im Ehepaar, das in einer Wolke zum Rössl hinabschwebt. Ein Effekt, an dem Regisseur Marc Pierre Liebermann wohl Gefallen gefunden hat, steigt doch auch Kaiser Franz Joseph (Ferry Seidl) von oben zum Volk herab.

Wie ein roter Faden ziehen sich neben den Liebeleien sprachliche Verständnisprobleme durch das Stück. So kann sich der bärbeißige Berliner Fabrikant Wilhelm Giesecke (herrlich gespielt von Hans-Peter Leu) nicht mit dem österreichischen Akzent anfreunden, das lispelnde Klärchen (Martine Anne Breisch) kaum klare Worte finden, und der Oberförster (Evgeny Iakovlev) bleibt als Running Gag ("Dauerwitz") gar stumm.

Es bedarf also allerlei Aufklärungsarbeit, bis Zahlkellner Leopold und Wirtin Josepha zueinanderfinden. David Pichlmaier vertritt den erkrankten Michael Ophelders als charmanten Leopold, der zwar hitzig, doch nicht blödelnd, häufig ernsthaft und nahezu in der Manier eines Rhett Butler daher kommt (eine Assoziation, die durchaus auch Äußerlichkeiten geschuldet sein dürfte). Evelyn Czesla fehlt es in der Rolle der Wirtin Josepha derweil bei aller Resolutheit an Wärme. Alles könnte so schön sein - wären da nicht die akustischen Mankos der Inszenierung. Man erwartet, dass die Melodien, die dieses Stück eben so reizvoll machen, mit aller Kraft vorgetragen werden. Doch die Sänger sind wohl wegen fehlender Mikrofone kaum hörbar, die Liedtexte im Publikum oft kaum zu verstehen. So muss auch das Orchester (Leitung: Christoph Jung) seine Lautstärke immer wieder dämpfen - und beide Seiten schöpfen ihr Potenzial nicht aus. Schade. Zweiter Wermutstropfen: Vor allem bei schnellen Stücken können die Sänger das Tempo nicht halten. Doch das Publikum verzeiht, genießt und applaudiert ausgiebig. Künftige Zuschauer seien derweil gewarnt: Sie werden sich mit dem "Rössl" im Ohr schlafen legen. Und vielleicht mit ihm aufwachen…

PublikumsUMfrage

Jutta Klaes-Berg, Hetzerath: "Spielfreudige Darsteller. Eine Inszenierung mit viel Augenzwinkern, Ironie und Liebe zum Detail." Peter Wathers, Bernkastel-Kues: "Heute war bestes Amüsement angesagt. Vergnügen Hoch Drei. Stimmige Kostüme zur Karnevalszeit. Die Persiflagen in der Musik haben mir hervorragend gefallen." Doris Cillien, Gusterath: "Eine lustige und stimmungsvolle Vorstellung. Zum Schreien gut." Joakim Swedenborg, Trier/Malmö: "Wunderschön romantisch. Sehr interessant, wie man mit dem Thema Liebe umging." Umfrage/TV-Fotos: Ludwig Hoff

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