In voller Fahrt in den Untergang

Bedburg-Hau · Finnen sind bekannt für ihren subversiven und dunklen Humor. Die Kunst von Tea Mäkipää scheint auf den ersten Blick poppig bunt. Hinter den Fassaden verbergen sich aber Abgründe.

Bedburg-Hau (dpa) Die finnische Künstlerin Tea Mäkipää lässt Wohnhäuser wie Atlantis im Wasser versinken. Oder sie setzt ein Haus im Originalmaßstab nur aus dem technischen Innenleben mit Leitungen, Kabeln, Wasserrohren, Toiletten und Spülbecken zusammen. In ihrem neuesten Werk lässt die 44-jährige Multimediakünstlerin das Internet Realität in Gestalt einer unheimlichen Ladenstraße werden. Erstmals ist in Deutschland eine umfassende Werkschau Mäkipääs im Museum Schloss Moyland am Niederrhein zu sehen.
"Early Harvest" (Frühernte) heißt die bis 19. November laufende Ausstellung mit spektakulären Installationen. Der Titel weist darauf hin, dass Mäkipää den Betrachter ihrer Kunst direkt mit den Folgen von Umweltzerstörung, ungebremstem Konsum und ungezügelter Globalisierung konfrontiert. Denn "Früh-ernte" bedeutet nichts anderes, als immer schneller und größere Mengen zu ernten und für die Nachwelt nichts übrig zu lassen.
"Wie werde ich mir über die Kunst meiner globalen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst?" Das sei das Thema Mäkipääs, sagt die Moyland-Direktorin Bettina Paust. Insofern habe Mäkipää auch einen Bezug zu Joseph Beuys, dessen umfangreiches Frühwerk in Moyland gehütet und ausgestellt wird. Mäkipää hat als ihre Antwort auf die Zerstörung der Welt die "Zehn Gebote des 21. Jahrhunderts" aufgesetzt: Fliege nicht, recycle, meide Plastikverpackungen und produziere nicht mehr als zwei Kinder, heißt es da.
Mäkipääs Themen seien von einer subversiven Ironie durchsetzt, aber dennoch "bitterernst", sagt Paust. So hat die Künstlerin in ihre eigens für die Ausstellung entstandene "Ladenstraße" mit Geldwäschesalon und Luxushotel auch eine alte staubige Haustür eingebaut. Auf den Klingelschildern stehen illustre und zweifelhafte Namen: Assad, Trump, Erdogan, Putin, Goldman Sachs. Doch klingeln kann man nicht.
Ein Hunde-Spa und eine Toilette als Denkfabrik ("Think Tank"), Überwachungskameras und ein Mikrofon, verborgen in einem künstlichen Blumenstrauß - die Eindrücke prasseln auf den Besucher der "Escape Allee" ungefiltert ein. Und nicht grundlos sagt Mäkipää: "Das ist wie Facebook im realen Raum." Das Warenangebot von Sex bis zu Big Data ist in der Ladenstraße grenzenlos.
Für Kurator Alexander Grönert ist Mäkipääs Kunst "eine Mischung aus Kitsch und totalem Ernst" - mit vielen Anspielungen auch an klassische Motive der Kunst. Mäkipää spannt für ihre Multimedia-Kunst auch immer andere Künstler ein. So hat ein Filmteam, das normalerweise Rentiervideos dreht, das verstörende Schwarz-Weiß-Video eines Drohnenangriffs im Irak in das Foto eines Popkonzerts hineinmontiert. Star auf der Bühne ist nicht mehr die Band, sondern der zerstörerische Krieg.

Die Ausstellung im Museum Schloss Moyland in Bedburg-Hau ist zu folgenden Zeiten geöffnet: bis 30. September dienstags bis freitags von 11 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt zu allen Bereichen des Museums kostet 7 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Extra: DAS HAUS IM WASSER IST KUNST


Oh nein, das Haus versinkt im Wasser! Zum Glück wohnt niemand darin. Das Haus ist ein Werk der Künstlerin Tea Mäkipää. Sie kommt aus Finnland. In Nordrhein-Westfalen gibt es gerade eine Ausstellung mit ihrer Kunst. Das kleine Kunst-Haus sieht dabei so aus, als würde es im Graben des Schlosses Moyland in Bedburg-Hau versinken. Mit ihrer Kunst will Tea Mäkipää auf etwas aufmerksam machen: darauf, was passiert, wenn die Menschen die Umwelt weiter so schlimm zerstören wie im Moment. Das sagt die Leiterin des Museums. Die Ausstellung ist bis Mitte November zu sehen.

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