KOLUMNE

Tja, so ist das: Wenn der eigene Humor nicht über den Bierdeckel hinaus reicht, auf dem Sie so gerne Ihre Steuer-Erklärung abgeben würden, dann muss man sich eben anderweitig behelfen. Zumal, wenn man den Orden wider den tierischen Ernst erhält, was so ungefähr dem Literatur-Nobelpreis für Fastnachter gleichkommt.

Politiker kennen das ja nicht anders: Weil bei der vielen Arbeit die Zeit nicht auch noch fürs Denken reicht, leiht man sich die Gedanken von Hilfskräften aus. Normalerweise, bei Ministern etwa, besorgt das der Redenschreiber. Aber weil Sie ja so gar nix geworden sind bei der Regierungsbildung im Oktober, mussten Sie halt aufs Internet zurückgreifen. Keine Angst, das machen durchschnittliche Feld-, Wald- und Wiesen-Büttenredner auch. Wenn Sie mich nicht verraten: www.witze.de kann ich Ihnen fürs nächste Mal empfehlen. Da muss man allerdings ein paar Euro bezahlen, dann kann man guten Gewissens die abgehangenen Gags recyclen. Und nicht, wie Sie, die Pointen einfach einer armen Autorin von der Satire-Homepage förmlich unterm virtuellen Hintern wegklauen. Sie hätten sich beim besten Willen nicht mehr genau dran erinnern können, wo der Text herkam, haben Sie im Nachhinein gesagt. Nachdem Sie vorher behauptet hatten, die ganze Rede stamme selbstverständlich aus Ihrer Feder. Jetzt mache ich mir ehrlich etwas Sorgen um Sie. Vor ein paar Jahren, als Sie ihre Biographie als wilder Langhaar-Jüngling im Sauerland so kunstvoll erfunden hatten, kam mir Ihre Nase auf einmal viel länger vor. Wenn das diesmal so weiter geht, taugen Sie irgendwann höchstens noch als Titelrollen-Darsteller im nächsten Pinocchio-Film. Gut, das wäre immerhin wenigstens mal wieder eine Hauptrolle - anders als in der Politik. Und in diesem Fall würde Ihnen wahrscheinlich sogar Ihre Chefin Angela Merkel zuhören, zumindest im Kino. Da müssten Sie sich sowieso wohl fühlen, nach Ihrer Aachener Rede als "Weißer Ritter Friedrich". Allerdings, ganz im Vertrauen: Es sah eher nach Monty Pythons aus als nach Ivanhoe. Dieter Lintz

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