Mensch…Rudolf Scharping

Undank ist der Welt Lohn. Gerade mal anderthalb Jahrzehnte ist es her, dass Sie als erster Sozi auf dem Ministerpräsidenten-Sessel ganz Rheinland-Pfalz umkrempelten. Als Sie durch die Lande zogen, bewundert wie ein neuer Messias.

Und nun haben Ihre treulosen Landsleute Sie bei der Wahl der 100 größten Rheinland-Pfälzer ganz souverän auf den 100. Platz gewählt, weit abgeschlagen hinter unbekannten Heimatdichtern, Sportreportern, Weihnachtsmann-Erfindern, Fernsehköchen, Dadaisten oder Rebenzüchtern. Und das ausgerechnet pünktlich zu Ihrem 60. Geburtstag.Was waren das noch für Zeiten, als Sie gen Bonn aufbrachen, um am Tor des Bundeskanzleramtes zu rütteln - ach nee, pardon, das war der andere, der im Gegensatz zu Ihnen auch reinkam. Wer erinnert sich nicht an den Wahlspot mit Ihnen zwischen Schröder und Lafontaine, wie die drei Musketiere, nur das nicht Athos und Porthos neben Ihnen gingen, sondern Brutus und Judas. Als Kanzlerkandidat gescheitert, als Parteivorsitzender geschasst, als Fraktionschef weggebissen, als Verteidigungsminister ins Schwimmen geraten, als PR-Redner untergegangen. Und als Sie, der personifizierte Unglücksrabe, zum Radsport wechselten, stürzten erst Sie vom Velo und dann der ganze Verband in die Doping-Krise. Shit happens, sagt der Neudeutsche, was schief gehen kann, geht eben schief. Aber die Höchststrafe durch die SWR-Fernsehzuschauer bei dieser merkwürdigen Abstimmung wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Ich sage Ihnen das auch als betroffener Trierer, denn unsere einheimischen Geistes- und Polit-Größen haben fast genauso traurig abgeschnitten wie Sie. Ihr Amtsvorgänger zum Beispiel, unser Alt-Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner. Platz 95, noch hinter (!) dem fiktiven, von ein paar Witzbolden erfundenen Abgeordneten Jakob Maria Mierscheid. Oswald von Nell-Breuning (34.), geschlagen vom Mainzer Büttenredner Herbert Bonewitz, aber immerhin noch gerade ein Plätzchen vor dem Schinderhannes. Guildo Horn (49.) noch hinter Thomas Anders, nicht zu reden von Jacques Berndorf (53.), Clara Viebig (74.) oder Franz Grundheber (80.).Insider murmeln ja, es habe daran gelegen, dass man in Trier versäumt habe, die Stimmzettel an die Haushalte auszuliefern, die in Mainz, Koblenz oder Kaiserslautern fleißig verteilt wurden. Vielleicht, lieber Rudolf Scharping, gab's in Ihrer alten Heimat Lahnstein ja auch keine. Da hätten Sie bestimmt noch ein paar Stimmen geerbt.Aber machen Sie sich nix draus: Neulich hat bei einer Abstimmung über Deutschlands größten Musiker Grönemeyer vor Mozart gelegen, und Nena vor Beethoven. So viel zur Qualität. Da muss man schon froh sein, dass die Rheinland-Pfälzer Gutenberg auf Platz 1 gewählt haben, und nicht Ernst Neger.Dieter Lintz

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