Die glanzvollen Zeiten sind vorbei

Klausen · Heimatforscherin Gerda Hoffmann ist mit einer Gruppe heimatkundlich Interessierter auf Erkundungstour zum stattlichen Haus Turk in der Eberhardstraße 16 gegangen. Von der Orgelbauwerkstatt bis zur Bäckerei hat das Haus aus dem 19. Jahrhundert schon viele Funktionen gehabt.

Klausen. "Wenn sie Häuser genau anschauen, dann können die ihnen antworten", verrät Gerda Hoffmann den Besuchern des Rundgangs. Die 77-jährige pensionierte Lehrerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, historische Häuser der alten Gemeinde Krames-Klausen (die seit 1969 mit Pohlbach die Gemeinde Klausen bildet) zu erforschen. Nach historischen Rundgängen in Krames nahm sie nun eine Gruppe von an Heimatgeschichte Interessierte mit auf dem Weg zum Haus Turk in der Eberhardstraße. Vom Abtsgarten oberhalb des Gebäudes hatten die Teilnehmer einen wunderbaren Blick auf das stattliche Haus Turk mit seiner Erst erwähnung 1844, das zu den ältesten Häusern in Klausen gehört. Auf die Zeit der Erbauung weisen die Rundbogenfriese als oberer Abschluss der Außenwand hin. Diese Elemente der Baukunst wurden zur Zeit des preußischen Baumeisters Friedrich Schinkel (Klassizismus) verwendet und orientierten sich an den Formen der Renaissance.
Mithilfe einer Karte von 1828 zeigte Hoffmann, wo damals bereits Häuser standen, während die weißen Flächen Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts bebaut wurden. "Diese mächtigen Häuser bildeten den Abschluss des Ortes Klausen". Bemerkenswert am Haus Turk sind die sieben Achsen (jeweils sieben Fenster in zwei übereinander liegenden Reihen) sowie die markanten Rundbogenfriese. Das prächtige Haus stand auf Parzelle 23 und hatte den Wohnwert der Klasse 6 und den Steuerbetrag von 9 Thalern, der damals höchsten Stufe.
Mit zwei Spielszenen ließen Gerda Hoffmann und ihre Nichte Inge Tömmes vergangene Zeiten lebendig werden, als Orgelbaugeselle Heinrich Voltmann aus Westfalen auf seiner Walz nach Klausen kam und dort bei Orgelbauer Meinolph Knaup blieb. Denn die Klausener warteten seit 50 Jahren auf eine neue Orgel. Die alte war 1804 im Zuge der Säkularisation unter Napoleon in die Kirche St. Martin nach Metz gekommen. In der Orgelwerkstatt vollendete Voltmann die neue Orgel für Klausen im Jahre 1852, sein erstes großes Werk. Die Summe betrug damals 2589 Thaler. Heinrich Voltmann übernahm später die Werkstatt und war seit 1880 Besitzer des Hauses. Viele seiner Orgeln stehen noch in Kirchen der näheren Umgebung. Um 1900 kam wieder ein Orgelbaugeselle namens Anton Turk aus der Steiermark auf seiner Walz in den Wallfahrtsort Klausen. Er wurde Mitarbeiter in Voltmanns Orgelbetrieb und heiratete später dessen Tochter Katharina. Voltmann und Turk führten den Betrieb bis zu Voltmanns Tod 1909 gemeinsam weiter. Sohn Heinrich Turk wurde ebenfalls Orgelbauer. 1949 baute er die Klüsserather Orgel. Mit seinem Tod 1974 erlosch die Firma Voltmann-Turk. Auch die später von Nachfahren im Erdgeschoss des Gebäudes eingerichtete Bäckerei/Café Turk wurde vor einigen Jahren geschlossen. Das historische Gebäude mit Wohnungen steht seit einiger Zeit zum Verkauf an.
Extra

Auf der "Walz sein" bedeutet "auf Wanderschaft sein". Walzen ist ein veraltetes Wort und heißt soviel wie rollen oder drehen. Ihr kennt sicher die Straßenwalze oder den Walzer als Tanz. Schon im Mittelalter verließen junge Handwerksgesellen ihre Heimat und gingen mehrere Jahre auf Wanderschaft. Sie waren auf der Walz, weil sie andere Regionen kennenlernen wollten. Dort arbeiteten sie in verschiedenen Betrieben ihres Handwerks und lernten so viel Neues in ihrem Beruf und auch andere Menschen kennen. Jeder Geselle, der früher Meister werden wollte, musste auf die Walz gehen. Das wird heute nicht mehr verlangt. Heute kann sich jeder Geselle gleich zur Meisterprüfung anmelden. Aber auch dennoch gibt es welche, die gerne einmal auf die Wanderschaft gehen. Denn sie lernen dabei Dinge, die über das Wissen in Schule und Ausbildung hinausgehen. Daher sind viele unterschiedliche Handwerker auch heute noch auf der Straße unterwegs. Und die Walz ist inzwischen keine reine Männersache mehr, auch junge Gesellinnen machen sich auf die Wanderschaft. Man erkennt die wandernden Gesellen an ihrer traditionellen Kluft (Kleidung). Dazu gehören ein großer Hut, weißes Hemd, Weste mit Knöpfen, schwarze Hose, Ohrring, das Gepäcktuch, Wanderbuch und der "Stenz", ein gewundener Wanderstab. mblExtra

Gerda Hoffmann wurde 1937 in Osann-Monzel geboren. Schon als Lehrerin in Münstermaifeld befasste sie sich mit der dortigen Stadtgeschichte. Sie schrieb 16 "Hausbriefe" und veröffentlichte ihr erstes Buch, dem zwei weitere, eines über die Dörbacher Mühle, das andere über das Klausener Kloster folgten. Seit 2007 ist Klausen-Krames Hauptwohnsitz für sie und ihren Mann Hermann-Josef. Hoffmann ist passionierte Forscherin der lokalen Geschichte, insbesondere der historischen Häuser der alten Gemeinde Krames-Klausen. Auf ihren Rundgängen will Hoffmann "der lebenden Generation die Vergangenheit, die sich besonders vielfältig in den alten Häusern und der dörflichen Hauslandschaft zeigt, nahe bringen". mbl

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