Geschichte „Ich habe in Wittlich Freunde gefunden“

Wittlich/London · Zwei lange Zeit verschollene Bücher haben einen Briten auf der Suche nach den Wurzeln seiner Familie nach Wittlich geführt.

 Dublon Emil-Frank-Institut

Dublon Emil-Frank-Institut

Foto: Christian Moeris

Alan Dublon ist auf der Suche nach seinen Wurzeln: Seine Mission, die Heimat seiner Vorfahren aufzuspüren und Licht in seine teils noch lückenhafte Familienchronik zu bringen, hat den 63-jährige Briten Dublon nun von seiner Heimatstadt London nach Wittlich geführt.

In seinem Handgepäck trägt er zwei für seine jüdische Familie bedeutende und bis vor wenigen Monaten verschollen geglaubte Bücher bei sich. Diese haben ihm den Weg nach Wittlich gewiesen.

Kürzlich habe ihn ein Professor der Universität Hamburg angerufen, erzählt Dublon. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass man die kostbar verzierten Bücher aus dem Besitz seiner Familie, ein Gebet- und ein Schulbuch, in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg gefunden habe. Dort wurden sie zwischen 1940 und 1943 von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) abgeliefert mit dem Vermerk „vermutlich aus jüdischem Besitz“. Die damaligen Besitzer der Bücher, Alan Dublons Eltern, konnten die Schergen des NS-Regimes Gott sei Dank zu dieser Zeit nicht mehr in Hamburg finden. „Meine Eltern sind 1939 aus Hamburg geflohen und haben sich in London vor den Nationalsozialisten in Sicherheit gebracht“, erzählt Dublon. Doch die lange Zeit verschollenen und nun wieder aufgetauchten Bücher aus dem Familienbesitz haben eine noch längere Geschichte: „Sie sind vom Großvater meines Großvaters“, sagt Dublon bei seinem Besuch im Emil-Frank-Institut in Wittlich. Auf dem kostbar verzierten Buch mit dem Titel „Israels Gebete“ ist dessen Name in goldenen Lettern eingestanzt: Daniel Dublon. „Ich wusste bereits zuvor, dass ich Vorfahren in Wittlich hatte“, erzählt der christlich getaufte Alan Dublon bei seinem Aufenthalt in Wittlich. „Aber wir hatten keine Namen und wussten auch nicht, in welchen Straßen und Häusern diese gelebt haben.“  Nun hat Dublon Gewissheit. Bei seinem Besuch in Wittlich besucht er gemeinsam mit René Richtscheid, Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts, die Oberstraße, die ehemalige Wohnstätte seiner Wittlicher Vorfahren aus dem 19. Jahrhundert.

Auch ein Besuch auf dem jüdischen Friedhof mit dem Grab seiner Vorfahren, Daniel Dublon (1819 - 1879) und Gudella Jüdel Israel (1810 - 1894), steht am Nachmittag auf dem Programm. Die für seine Familie bedeutenden Bücher seiner Wittlicher Ahnen gibt Dublon bei seinem Besuch in die Obhut des Emil-Frank-Instituts. „Meine Familie lebt über die ganze Welt verstreut. Wer die Bücher fortan einsehen möchte, findet sie nun in Wittlich.“ Auch Bürgermeister Joachim Rodenkirch und Albert Klein, erster Beigeordneter, sind bei der Überreichung der Bücher im Emil-Frank-Institut mit dabei und begrüßen den Gast aus London in Wittlich. „Darf ich Sie und Ihre Familie zu unserer Säubrenner-Kirmes einladen“, fragt Rodenkirch den Briten, der das Angebot mit Freude annimmt und zusagt,  im Sommer mit seiner Frau und drei Kindern erneut zu Besuch in die Säubrennerstadt kommen zu wollen.

 Das jüdische Gebetbuch des Wittlicher Vorfahren von Alan Dublon.

Das jüdische Gebetbuch des Wittlicher Vorfahren von Alan Dublon.

Foto: Christian Moeris
 Das Kunstwerk „Jerusalem“ von Kurt Dublon, einem Maler aus der ehemals in Wittlich beheimateten jüdischen Familie Dublon, ist im Emil-Frank-Institut ausgestellt.

Das Kunstwerk „Jerusalem“ von Kurt Dublon, einem Maler aus der ehemals in Wittlich beheimateten jüdischen Familie Dublon, ist im Emil-Frank-Institut ausgestellt.

Foto: Christian Moeris

Am späten Nachmittag, gegen Ende seines eintägigen Aufenthalts in Wittlich, sagt Dublon: „Bis gestern war die Herkunft meiner Familie aus Wittlich für mich nur eine Geschichte. Jetzt ist daraus eine sehr persönliche Sache geworden. Ich habe hier in Wittlich zwar keine Familie mehr, dafür aber jetzt Freunde gefunden.“

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