Junger Graf liebt altes Gemäuer

Das 237 Jahre alte Dreiser Schloss (Landkreis Bernkastel-Wittlich) hat so viel erlebt, dass es den viel beschworenen "Atem der Geschichte" verströmt. Das und die Familientradition haben Graf Georg von Walderdorff bewogen, sich dem Erhalt des Gebäudes zu verschreiben. Eine Aufgabe, die Geld und Zeit verschlingt und viel Leidenschaft voraussetzt.

Dreis. In der Küche des Schlosses Dreis steht der einjährige Casimir in seinem Laufstall und wartet wie der silberhaarige Weimaraner Jagdhund Sugar unruhig auf seinen Vormittagsspaziergang. Trotz der vielen herrschaftlichen Zimmer der quadratisch aufgebauten Schlossanlage mit Innenhof spielt sich das Familienleben zum großen Teil in der Küche ab. Denn hier ist es warm.

Georg Graf von Walderdorff räumt Illusionen über adeligen Luxus aus dem Kopf: "Es ist ein kalter Kasten, der nicht den Lebenskomfort eines modernen Neubaus bietet." Nur wenige Räume werden regelmäßig geheizt.

Und trotzdem ist das Schloss eine große finanzielle Belastung für die junge Familie, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Denkmal zu erhalten. Deshalb wurde kürzlich das komplette Dach neu mit Schiefer eingedeckt. Ohne Unterstützung der Denkmalpflege und des Dorferneuerungsprogramms schier unmöglich, meint der Graf.

2006 hat der heute 35-Jährige das Schloss von seinem Vater Philipp übernommen. Eine "Permanentbaustelle", die der junge Graf mit einem "hustenden Oldtimer" vergleicht. Seit 2008 lebt der gebürtige Bonner mit seiner Frau aus Bergisch-Gladbach in Dreis. Der Umzug in die Eifel ist dem Ehepaar leicht gefallen. Beide kannten die Gegend. Er studierte in Trier Betriebswirtschaftslehre, sie Modedesign.

In Schloss Dreis fühlt sich Graf Georg von Walderdorff schon seit seiner Kindheit zuhause, da er hier jedes Wochenende seine Großeltern besuchte. Diese Tradition führen seine Eltern mit ihren Besuchen weiter. Platz gibt es ausreichend. Familie und Gästen steht das erste Stockwerk zur Verfügung. Der Öffentlichkeit bleibt der Blick von außen. Des öfteren klingeln Interessierte, denen die Grafen gerne gestatten, sich auf dem Anwesen umzuschauen. Kaum ein Hochzeitspaar aus Dreis hat das Schloss nicht als Kulisse für seine Hochzeitsfotos gewählt.

Die Einrichtung der Räume ist dem Stil des Gebäudes angepasst. An den Wänden im Flur hängen die Geweihe von Rehböcken, die der junge Graf und seine Vorfahren geschossen haben. Schwere Vorhänge aus dunklen Seiden-Jacquard-Stoffen umrahmen die bodentiefen Sprossenfenster. Kerzenlüster, Kronleuchter, antike Möbel und Porträts der Urahnen - teilweise mit Einschusslöchern aus dem Zweiten Weltkrieg - schaffen eine geschichtsbeladene Atmosphäre. "Die alten Mauern können viel erzählen", beschreibt Graf Georg von Walderdorff die Faszination, die ihn und seine Frau an das Schloss bindet.

Im Westflügel hat sich die junge Familie in frischen, hellen Farben eingerichtet. 30 Jahre lang lag hier alles brach und musste erst bewohnbar gemacht werden. Eine Modepuppe in einem Erker weist auf ein Zukunftsprojekt: Die Gräfin will als Modedesignerin ihr eigenes Label "Marina von Walderdorff" auf den Markt bringen.

Nicht nur der Erhalt des Gebäudes, auch die Pflege des vier Hektar großen Grundstücks kostet den Grafen neben seiner Arbeit in der Geschäftsführung einer Weinkel lerei viel Zeit. .Angst vor Einbrechern oder Gebäudeschäden durch Unwetter oder eingefrorene Wasserleitungen fordern ihre Präsenz selbst in der Urlaubszeit.

Das geht nur mit der richtigen Einstellung gut, sagt die Gräfin: "Man muss so ein Gebäude mit Herzblut mögen." Und doch sehen sie und ihr Mann auch immer die Aufgabe, die sie übernommen haben: Im Namen ihrer Generation das Schloss zu verwalten, um es an die nächste Generation weiterzugeben. Denn Casimir und seine Kinder sollen noch Freude daran haben.EXTRA

Das Dreiser Schloss hat der aus Österreich stammende Architekt Paul Mungenast erbaut. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Kircheneigentum säkularisiert; eine Kammfabrik zog ein. Nach dem Bankrott der Fabrik stand das Schloss 40 Jahre lang leer. 1840 erwarb es der Jurist und Politiker Justin Balthasar Timotheus Freiherr von Linde (1797-1870), der 1848/1849 Mitglied der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche war. Seine Enkelin heiratete einen Grafen von Walderdorff, wodurch das Schloss in den Besitz der Familie gelangte.

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