Kein Urlaub in Srebrenica

MINHEIM. Während andere Urlaub machen, hilft Werner Mertes aus Minheim im ehemaligen Jugoslawien beim Wiederaufbau. Zum zwölften Mal bricht der THW-Helfer in die immer noch vom Krieg zerstörte Region auf, um beim Aufbau der Stromversorgung zu helfen.

"Ich denke, wenn ich Ende März nach Srebrenica komme, sieht es dort immer noch so aus, als wäre der Krieg erst gestern gewesen." Es ist kaum vorstellbar, was Werner Mertes da erzählt, denn schließlich liegt der Krieg in Bosnien-Herzegowina schon neun Jahre zurück. Der ehrenamtliche THW-Helfer und gelernte Elektro-Ingenieur weiß, wovon er spricht. Im zwölften Jahr in Folge verbringt er seinen Urlaub in Bosnien-Herzegowina, um die am Boden liegende Stromversorgung mit aufzubauen. Das THW bringt den Menschen nicht nur Strom, es stellt auch die Wasserversorgung wieder her, baut Schulen und Krankenhäuser auf sowie Privathäuser. Bei dieser Hilfe zur Selbsthilfe arbeitet das THW in erster Linie mit einheimischen Arbeitslosen zusammen.Auch in den Menschen ist viel zerstört

Doch nicht nur äußerlich ist der Vielvölkerstaat, indem sich orthodoxe Serben, katholische Kroaten und Muslime bekriegten, zerstört. Auch in den Menschen hat der Bürgerkrieg, den auch Balkan-Kenner Mertes kaum nachvollziehen kann, viel kaputt gemacht. "Ich habe mit Frauen geredet, die haben drei Söhne und ihren Mann verloren. Die Wunden sind tief, in jeder zweiten Familie ist jemand umgekommen." Werner Mertes flieht nicht vor diesen Geschichten, der 49-Jährige hört sie sich an. "Da muss man Geduld haben und zuhören. Ich versuche teilzuhaben, an dem Schicksal dieser Menschen." Seine paar Worte jugoslawisch öffneten ihm die Türen bei den Einheimischen, die ihn - obwohl sie selbst nichts haben - immer zum Kaffee einluden. Auch ansonsten sucht Werner Mertes die Nähe zu den Menschen. Bei seinen Aufenthalten in Bosnien-Herzegowina wohnt er in einfachen Unterkünften und schläft auch im unbeheizten Haus ohne Strom und fließendes Wasser auf einer Strohmatratze. Über die Einheitskost macht er noch seine Witze. "Zu essen gab es abwechselnd Eier mit Speck und Speck mit Eiern." Werner Mertes ist der Mann der leisen Töne und so groß sein Engagement, so schlicht ist seine Erklärung dafür: "Ich versuche immer zu helfen, ich kann nicht Nein sagen." Mehrere Jahre arbeitete er in der Leitung der deutschen THW-Zentrale in Bonn und sammelte Erfahrungen in zahlreichen Auslandseinsätzen, so in Somalia und Zaire. Dann zog es ihn in seine Heimat zurück, er bekam einen Job bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier. Da ihm der Abschied vom THW schwer fiel, beschloss er als Mitglied im Wittlicher Ortsverein die Auslands-Einsätze in seine Freizeit zu verlegen. Angst ist für den THWler bei den Einsätzen im immer noch verminten Ex-Jugoslawien kein Thema. "Ich denke, ich habe immer einen guten Schutzengel. Bei solchen Einsätzen braucht man gutes Gottvertrauen."Hoffnung auf Versöhnung

Das hat Mertes auch, wenn es um die Zukunft von Ex-Jugoslawien geht. Zwar glaubt er, dass es gut wäre, die SFOR-Truppen würden noch 40 Jahre dort bleiben - bis zum biologischen Ende der Hardliner. Aber: "Aufgrund von Gesprächen mit meinem Dolmetscher habe ich große Hoffnung, dass die junge Generation für Versöhnung sorgt." Der muslimische Dolmetscher war ohne Angst und mit dem Wunsch nach Versöhnung mit Mertes nach Srebrenica gekommen - in die Stadt, in der 1995 6500 Muslime bei einem Massaker ermordet wurden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort