"Länger hätte es nicht dauern dürfen"

BERNKASTEL-WITTLICH. (sim/mai/cb) Fast nichts ging mehr am Donnerstag zwischen 17 und 19.45 Uhr in weiten Teilen des Kreises. Die meisten Menschen waren ohne Strom. Insgesamt ging die Panne glimpflich ab, aber: Der Stromausfall hätte nicht länger dauern dürfen.

Donnerstagnachmittag, die Region ist ohne Strom. In der Wittlicher Innenstadt stehen die Menschen in kleinen Gruppen zusammen und tauschen sich über das Ereignis aus. "Ob die Leute beim Bungert jetzt wohl in der Drehtür stecken?", frotzelt einer. Alle Geschäfte sind dunkel, ins Modehaus Freckmann, in dem es immerhin noch eine Notbeleuchtung gibt, darf niemand rein, die Kassen gehen ohnehin nicht. Beim Friseur Ehlen werden die Stühle rausgestellt, den Kunden werden die Haare vor der Tür geschnitten. Das noch kalte Eis geht in den Eisdielen weg wie warme Semmeln. Metzger Werner Martin verkauft die noch warmen Gerichte. "Wir rechnen jetzt von Hand", sagt er gelassen. Grinsend ergänzt seine Mitarbeiterin: "Ab jetzt machen wir nur noch Gewinne." Auch in Zeltingen-Rachtig weiß man sich zu helfen. Weil in der Restaurant-Küche vom Zeltinger Hof nichts mehr geht, baut Markus Reis auf der Terrasse einen großen Gasgrill auf. "Die Hütte war voll, es herrschte eine tolle Atmosphäre", berichtet Reis. Die Doppelstadt Traben-Trarbach war am Donnerstag für über zwei Stunden getrennt. Traben hatte Strom, Trarbach nicht. Der Grund: Die Stadtteile werden von verschiedenen Umspannanlagen versorgt, von Bengel und Bernkastel sowie vom Moselkraftwerk Enkirch. Für manchen Gastwirt bedeuteten diese zwei Stunden mehrere hundert Euro Verlust. Gino Brundo vom Restaurant Costa Smeralda in Traben-Trarbach beklagt: "Ich musste 20 Gäste wegschicken, weil die Küche kalt war." Eisdielenbesitzer Enzo Simonetti lief nach eineinhalb Stunden der Schweiß über die Stirn, da das Speiseeis zu schmelzen begann. Doch es ging gerade noch mal gut: Simonetti: "Länger hätte der Strom nicht ausfallen dürfen, sonst wären 60 bis 70 Kilo Eis im Eimer gewesen." Unterdessen kam es aufgrund der Notstromversorgung in den Krankenhäusern des Kreises zu keinen kritischen Situationen. Ralf Rosenbaum, stellvertretender technischer Leiter am Krankenhaus Wittlich: "Kein Patient war gefährdet." Bei einem Stromausfall springt sofort der 450 KW-starke Dieselmotor des Notstromaggregats an. 250 Liter Sprit schluckt der Motor in der Stunde. Zusätzlich ist aus Sicherheitsgründen die Intensivtechnik mit Akkus abgepuffert und im OP ist eine unterbrechungsfreie Stromversorgung installiert. Rosenbaum: "Das Notstromsystem steht auf mehreren Standbeinen." Glück im Unglück hatte der Großschlachthof Simon in Wittlich. Dort werden tagsüber stündlich 280 Schweine geschlachtet. Kurz bevor der Strom ausfiel, war die Schlachtung beendet. Geschäftsführer Paul Simon sagte dem TV : "Wäre das Schlachtband noch am Laufen gewesen, hätten wir 150 Tiere verwerfen müssen." Kritisch wurde es allerdings in den Kühlhäusern. Da niemand ganz genau wusste, wie lange der Strom wegbleibt, musste ein Notstromaggregat besorgt werden. Obwohl das RWE in Wengerohr über ein solches Gerät verfügt, kam es nicht zum Einsatz. Für den Geschäftsführer des Schlachthofs ein unbegreiflicher Vorgang: Simon: "Uns wurde vom RWE gesagt, dass das Aggregat nur in Notfällen abgegeben wird..." Schließlich besorgte sich das Unternehmen ein großes fahrbares Aggregat über das THW. Als es gerade startklar war, floss auch wieder der Strom aus dem Netz. Simon: "Es war knapp, es ist gerade noch mal gut gegangen. Wir haben zum Glück keinen Schaden." Mit dem RWE werde man wegen des Vorfalls dennoch in Kürze sprechen müssen. Peter Kohlei, Wehrleiter in Wittlich, hatte schnell eine 20-köpfige Alarmbereitschaft zusammengerufen. Die Männer checkten sofort das große 20 KVA-Stromaggregat und die fünf tragbaren Aggregate. Ein Aggregat speiste den Strom in die eigene Feuerwehrzentrale, denn auch dort ging zunächst nichts mehr. Rund 25 Anrufe bearbeitete der Mann an der Feuerwehr-Telefonzentrale. Die meisten wollten einfach nur wissen, wann ihr Kühlschrank wieder anspringt. Auch mehrere Bauern riefen an. Sie hatten berechtigte Sorgen, denn die Melkmaschinen und die Milchkühlung waren ausgefallen. In mehreren Fällen konnte die Feuerwehr mit ihren kleinen Stromaggregaten aushelfen. Die Polizeiinspektionen im Kreis mussten mehrmals ausrücken, weil der Stromausfall in einigen Bankfilialen Fehlalarm ausgelöst hatte, unter anderem in der VR-Bank-Filiale in Trarbach und in der Raiffeisenbank Neumagen-Dhron. "Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse", berichtete die Polizei.

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