Meine Sprache

Owai! Ich habe ein wichtiges Dokument "verzottelt". Es muss irgendwo zwischen den Akten auf meinem Schreibtisch verschwunden sein.

Wenn es nicht bald wieder auftaucht, werde ich sicher zurechtgewiesen oder abgekanzelt. Ich kriege vermutlich einen ganz schönen Runterputzer, eine Standpauke zu hören, den Marsch geblasen, die Leviten gelesen, die Ohren lang gezogen. Oder ich kriege mal so richtig Bescheid gesagt. In Schalkenmehren in der Vulkaneifel könnte man mir drohen: "Esch meenen dou krees ees ball kriminal de Kremmelen jesähnt" (Ich glaube, du bekommt bald kräftig die Krümmel gesegnet). Mir zittern schon die Knie … Ich suche also ganz hektisch überall. Denn ich will nicht "gebläatzt" kriegen, wie man in St. Aldegund sagt. Dort steht "bläatze" für "laut schreien". Mein Chef "knoatert" (meckert, nörgelt) sowieso ziemlich gerne. Kurz gesagt: Er ist ein ziemlicher "Knäatelpitter" (Nörgler). Oder ein "Boopeler", wie man bei uns sagt. In meinem Dorf heißt "boopele", dass jemand ausgiebig rummeckert. In Bengel würde er vielleicht "schaluttere", in Speicher "jouzen" - beide Wörter stehen für lautes Schimpfen. In Kleinich könnte er, wenn er sehr wütend ist, "dolereere", also wörtlich übersetzt: "tollerieren" - wobei "toll" hier nicht für "super", sondern für "verrückt" steht. In Longkamp müsste ich mich darauf gefasst machen, dass er "bollert" (schimpft, poltert). Oje, den "Schandaal" will ich mir gar nicht ausdenken … Während es von Dorf zu Dorf verschiedene, zum Teil recht abstruse Wörter für lautstarkes Kritisieren gibt, teilt die ganze moselfränkische Region das Wort "schännen" für "schimpfen". Das Schännen ist so typisch für unsere Gegend, dass wir es auch in unserem regionalen Hochdeutsch verwenden. Überall in der Eifel, auf dem Hunsrück und an der Mosel "schännt" man mit ungezogenen Kindern. Die Mundarten unterscheiden sich nur darin, ob es im Perfekt eher "geschannt" oder "geschännt" heißt. Just in diesem Moment ziehe ich das wichtige Dokument aus dem Altpapierstapel hervor. Noch einmal Glück gehabt. ICH kriege heute Gott sei Dank nicht "geschannt". Yvonne Treis Das Buch zur Serie: "Majusebetter! Noch mehr Moselfränkisch zum Mitholen", Michel-Verlag, ISBN 978-3-938381-50-2, 13,80 Euro.

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