Tante Trudi gibt das Steuer aus der Hand

Brauneberg/Mülheim · Die Evangelische Kindertagesstätte Mülheim hat Trudi Ostermann in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Dort war sie jahrzehntelang als Fahrerin des Kindergartenbusses tätig.

Brauneberg/Mülheim. 42 Jahre lang ist sie bis zu viermal täglich und fünfmal die Woche nach Mülheim und wieder zurück gefahren. In Brauneberg und Andel sammelte sie die Schützlinge der evangelischen Kindertagesstätte ein und fuhr sie gegen Mittag und am Nachmittag auch wieder nach Hause zurück. Doch nun hatte Trudi Ostermann, Angestellte der Kirchengemeinde, das Gefühl, das sei jetzt lange genug. Schließlich feierte sie diesen Monat ihren 78. Geburtstag.
Menschen ganz nah


Ihre kleinen Fahrgäste schenkten ihr zum Abschied ein mit Kindergartenleiterin Adrie Oostdijk-Bohn zusammengestelltes Fotoalbum. Laut Pfarrer Thomas Berke hatten die Kinder ihre immer herzliche und zupackende "Tante Trudi" in ihre Herzen geschlossen. Sie seien immer gern zu ihr in den Bus gestiegen und seien ja auch stets zuverlässig und unfallfrei chauffiert worden.
Darauf ist die frischgebackene Rentnerin besonders stolz. Nie habe sich ein Kind auch nur einen Finger gequetscht und Differenzen mit den Eltern habe sie in all den Jahren auch nicht gehabt.
"Es war eine schöne, aber auch eine verantwortungsvolle Zeit: man fährt ja kostbare Fracht." Doch sie hatte sich dem immer gewachsen gefühlt und hatte auch gern mit Kindern zu tun: "Sie waren mir alle ans Herz gewachsen - egal, von wem sie waren."
Das Vertrauen, das ihr im Gegenzug geschenkt wurde, war für sie immer auch eine Verpflichtung: "Das darf man nicht missbrauchen." Inzwischen saßen bei ihr schon Kinder früherer Fahrgäste im Bus und kürzlich sogar eines der dritten Generation.
Als Tante Tudi 1971 anfing, den Bus zu fahren, hätte sie eine derart lange Dienstzeit wohl kaum erwartet. Ja sagte sie nur, weil der Presbyter der Kirchengemeinde schon längere Zeit einen Fahrer suchte und sie den Job mit ihrer Schwägerin Gisela Ostermann übernehmen konnte. Denn durch die Tischlerei ihres Mannes hatte sie an und für sich genug zu tun. Meist wechselten sich die Frauen von Woche zu Woche ab. So konnte sich jede von ihnen auch mal mehr um die eigenen Kinder kümmern. Denn pro Tag waren ja vier, je etwa einstündige Fahrten erforderlich. Sprang der Bus mal nicht an, nahm Trudi kurzerhand den der Tischlerei. Für die Kinder war das ein Riesenspaß. Und waren im Winter die Straßen glatt, brachten die Eltern ihre Kinder zur Tischlerei an der Hauptstraße, von der aus es eben nach Mülheim ging: "Wir haben nie gestreikt", versichert Ostermann. Seit ihre Schwägerin vor neun Jahren in Ruhestand ging, wechselte sie sich mit deren Tochter Elvira Braun sowie Therese Les-Scholz und Ludmilla Haupt ab.

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