Was der alte Pastor Schlimmes schrieb

MINDERLITTGEN. (scho) Mozart, Bach, Buxtehude und Mendelssohn-Bartholdy: Ein anspruchsvolles Programm erwartet die Besucher am Sonntag, 24. September, um 14.30 Uhr in der Filialkirche Minderlittgen. Der Kirchenchor feiert sein 160-jähriges Bestehen, und zugleich freut sich die Pfarrgemeinde über den 75. Geburtstag der Orgel. Zeit für einen Rückblick bis ins 19. Jahrhundert, als ein Pastor kein gutes Haar an dem Chor ließ.

Trotz sehr intensiver Nachforschungen, die die Chormitglieder anlässlich ihres 150-jährigen Bestehens angestrengt haben, bleibt die genaue Geburtsstunde des Chors wohl für immer das Geheimnis der Vergangenheit. Sicher aber ist, dass Pastor Joseph Bicking (1851 bis 1854) den Chor bereits in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen erwähnte. Er notierte dabei nicht nur, was der Chor in den Messen gesungen hatte, sondern auch wie. Und das war für die Sänger meist nicht sehr schmeichelhaft. So notierte der Pastor, dessen Genauigkeit jedem Buchhalter geschmeichelt hätte, etwa zum Mauritiusfest 1851 in seinem "Verkündebuch über die gottesdienstlichen Verrichtungen in der Pfarrei Hupperath" folgendes: "Die Kehlen der Sänger wurden sehr in Anspruch genommen, ebenso die Ohren der Anwesenden." Oder am 19. Oktober 1851: "Die Gesänge aus der 19. Messe waren ohrenzerreißend." Zum Mauritiusfest 1852 schrieb der kritische Pastor: "Der lateinische Choralgesang wurde wie immer mit immenser Anstrengung der Schreiorgane exekutiert." Erst zum Mauritiusfest 1853 schafften es die wackeren Sänger, erstmals ihren Pastor - zumindest halbwegs - zufrieden zu stellen: "Der lateinische Choralgesang wurde diesmal mit weniger Stimmenaufwand gesungen, als es sonst in Minderlittgen zu geschehen pflegt. Vielleicht weil Lentes nicht anwesend war." Lentes war zur Zeit von Pastor Bicking Küster, und die beiden verstanden sich wohl nicht besonders gut: "Als ich dem Küster Lentes die unpassende Wahl des Liedes ,Mein Testament' zur frohen Osterzeit vorstellte, rechtfertigte er dieselbe damit, dass die Chormädchen dieses Lied so gerne sängen. Das Einüben von Osterliedern aber hatte Lentes unterlassen", beklagte sich etwa der Pastor in seinen Aufzeichnungen. Zur Ehre des 1854 verstorbenen Pastors schrieben die Minderlittgener Sänger in ihrer Festzeitschrift vor zehn Jahren: "Er hatte es sicher nicht leicht mit dem sehr eigenwilligen Küster Lentes und den selbstbewussten Minderlittgener Chorsängern."Als lateinische Messen noch reine Männersache waren

Hätten sich die Sänger erst unter der Ägide von Pastor Bicking zusammengefunden, sie hätten möglicherweise bald aufgegeben. Doch es gibt zahlreiche Hinweise - Existenz eines großen Notenbestands, zweier Chorstühle sowie Gebührenfestlegungen für Chorleiter Nikolaus Lentes aus dem Jahr 1834 und vieles mehr - dass der Chor schon lange vor 1851 bestanden hat. Die Minderlittgener Sängerschar trat von Beginn an als gemischter Chor auf. Allerdings sangen Frauen und Männer damals von getrennten Plätzen und lateinische Gesänge durften nur die Männer übernehmen. Dass die Notizen des Pastor Bicking das heutige Niveau des Chors gewiss nicht treffen, davon können sich die Zuhörer beim Jubiläumskonzert am Sonntag überzeugen. Neben dem Chorjubiläum feiern die Minderlittgener bei dem Konzert auch den 75. Geburtstag ihrer Orgel, die 1931 von Anton Turk aus Klausen erbaut wurde. Die größte der 534 Pfeifen ist 2,40 Meter lang, die kleinste misst nur zwei Zentimeter. Als die Orgel 2003 grundlegend restauriert wurde, ging man nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten vor, so dass die Minderlittgener Orgel eine der wenigen Turk-Orgeln ist, die über die Jahre in ihrer ursprünglichen Konstruktion erhalten geblieben ist. Auf den Organisten Peter Wilhelmus (1931 bis 1946) folgte für zwei Jahre Friedrich Langer. Seit 1948 ist Josef Konrad Organist in Minderlittgen. DAS PROGRAMM: Am Sonntag, 24. September, 14.30 Uhr, spielen das Trio Intermezzo, die Organisten Cornelia Grewelding und Karl-Heinz Musseleck der Kirchenchor Minderlittgen (Leitung: Cornelia Grewelding) in Begleitung von Josef Konrad unter anderem Werke von Mozart, Bach, Buxtehude und Mendelssohn-Bartholdy. Der Eintritt ist frei, Chor und Kirche freuen sich über eine Spende für die Orgel. Im Anschluss an das Konzert lädt der Kirchenchor zu Kaffee, Kuchen und Herbst-Basar ins Bürgerhaus ein.

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