Wasser gefroren, Po wund – aber glücklich

STROHN. (peg) Er ist ein spät berufener Pilger aus Leidenschaft: Nach den Fußmärschen nach Santiago de Compostela und Rom zog es Heinz-Josef Rodenkirch diesmal nach Jerusalem – auf dem Fahrrad.

Wie ist das möglich, dass es einen Tausende von Kilometer weit auf den eigenen Füßen oder auf dem Fahrrad durch die Welt treibt? Diese Frage stellen sich die meisten Menschen im Zeitalter von Autos und Flugzeugen angesichts von Zeitgenossen wie Heinz-Josef Rodenkirch aus Strohn. Nicht, dass der Mann sich bequeme Reisen nicht leisten könnte. "Wir haben im Leben viel Glück gehabt", sagt der ehemalige Bauunternehmer. Er hat eine liebende Frau, Kinder, ein schönes Haus und das nötige Kleingeld, um nachts gut schlafen zu können. Und er ist gesund. Dennoch zieht es ihn immer wieder auf Pilgerreisen. Seiner Meinung nach muss man nicht immer büßen, wenn man pilgert. Vielmehr: "Man kann Gott doch auch einfach mal danken." So setzte sich Rodenkirch am 14. April aufs Fahrrad, um nach zwei langen Fußwanderungen in den vergangenen Jahren - einmal nach Santiago de Compostela, einmal nach Rom - zum dritten Mal zu einem der großen Ziele der Christenheit aufzubrechen. Eiskalt war es, und gleich auf der ersten Etappe drohte das Aus. Bei Cochem-Brauheck sprangen zwei Rehböcke aus dem Nichts genau vor sein Rad. Nur ganz knapp konnte er ausweichen. "Da wusste ich: Der Heilige Jakobus passt wieder auf mich auf." Auf ihn vertraut er, wenn es ihn in die Welt treibt. Denn Gottvertrauen gehört zu einer solchen Reise. Wenn über Nacht das Wasser in der Trinkflasche gefriert, die Augen aufquellen, der Po wund wird, der Tunnel gesperrt und die Landstraße plötzlich eine Autobahn ist - das wäre für viele Grund aufzugeben. Nicht aber für Rodenkirch. Der 62-Jährige wird nicht nur von seinem Glauben getrieben. Auch Fernweh, Abenteuerlust, die Freude, Menschen kennen zu lernen, Gegenden zu erkunden - all das fordert ihn heraus. "Diese Impulse kamen immer wieder", erinnert sich Rodenkirch. Ursprünglich hatte er zu Fuß nach Jerusalem gehen wollen, über den Balkan, die Türkei und Syrien. Doch da hatte seine Familie interveniert. Also fanden sie einen Kompromiss. Er fuhr mit 35 Kilogramm Gepäck und einem Fahrrad über Österreich ins italienische Brindisi. Eine Fähre brachte ihn in den Norden Griechenlands. In Patras setzte er noch einmal über, diesmal nach Athen, wo er ein paar Wochen früher eintraf als erwartet. "Ich rief meine Frau an, die gleich rüberflog und mit mir ein bisschen Urlaub machte." Am 28. Juni ging es per Flugzeug weiter nach Tel Aviv. Die Fähre, mit der er von Kreta hatte übersetzen wollen, hatte den Betrieb eingestellt. Für alle Mühe entschädigt hat ihn dann der traumhafte Anblick von Jerusalem. "Und natürlich Bethlehem", schwärmt Rodenkirch. Das Heilige Land hat ihn fasziniert. Trotz aller Einschränkungen in Israel sei es eine große Freude gewesen, das Land kennen zu lernen. Längst tut der Po nicht mehr weh, die erfrorenen Fingerspitzen sind wieder zu sich gekommen, und die Fotos sind entwickelt. Ob dies seine letzte Pilgerreise war, weiß Rodenkirch noch nicht. Eines fasziniert ihn jedenfalls: Alles, was er braucht, dabei zu haben, allein auf sich und Gott gestellt zu sein, den Wind im Gesicht zu spüren und das Zelt aufzustellen.

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