Wegen 2,70 Euro für ein Mittagessen entlassen

Weil er in der Kantine der Klotzberg-Kaserne in Idar-Oberstein angeblich ein Mittagessen für 2,70 Euro nicht bezahlt hat, hat die Bundeswehr einen Zeitsoldaten fristlos entlassen. Der 23-jährige Hauptgefreite, der das Dienstvergehen bestreitet, klagte.

Koblenz/Idar-Oberstein. Die Bundeswehr hat einen Zeitsoldaten fristlos entlassen, weil er in der Kantine ein Mittagessen für 2,70 Euro nicht bezahlt haben soll. Das zuständige Verwaltungsgericht Koblenz scheint sich allerdings dem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts anzupassen, wonach eine Entlassung wegen Bagatellverstößen unverhältnismäßig ist. Womöglich muss die Bundeswehr ihre Entlassungspraxis nach Bagatell-Dienstvergehen ändern. Dies zeichnet sich nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Koblenzer Verwaltungsgericht ab, wo der Soldat gegen seine Entlassung geklagt hatte. Die Richter ließen deutlich erkennen, dass die fristlose Kündigung keinen Bestand haben werde, weil die Gründe dafür nicht ausreichten. Selbst dann, wenn der 23-jährige Hauptgefreite das Dienstvergehen überhaupt begangen haben sollte, was er bestreitet.

Der Soldat war zu einem Lehrgang in der Idar-Obersteiner Kaserne. Wie sein Anwalt Bernd Podlech-Trappmann der Presse erläuterte, hatte er an einem Mittag seine elektronische Verzehrkarte, mit der in der Kantine bezahlt wird, nicht dabei. Auf Rat eines Kameraden habe er der Bedienung die 2,70 Euro fürs Essen in bar gegeben. Von einem Hauptfeldwebel wurde er später angesprochen, ob er überhaupt gezahlt habe. Als sein Mandant, so der Anwalt, merkte, dass es Schwierigkeiten geben könnte, habe er das Essen ein zweites Mal bezahlt. Bei der internen Untersuchung des Falls hatte die Bedienung erklärt, sie könne sich nicht mehr an den jungen Mann erinnern. Daraufhin wurde ihm Diebstahl unterstellt. Die unmittelbaren Dienstvorgesetzten hielten einen sogenannten ausdrücklichen Hinweis, was im Zivilleben einer Abmahnung entspricht, für angemessen. Auch weil der Soldat sich bis dahin untadelig verhalten habe.

Die zuständige Stammdienststelle der Bundeswehr entließ den Hauptgefreiten jedoch fristlos. Es handele sich nicht um ein Kavaliersdelikt, begründete ein Militärjurist die Entscheidung seiner Behörde.

Die Vorsitzende Richterin Marie Luise Glückert gab bereits vor der Beweisaufnahme, die klären sollte, ob der Soldat sein Mittagessen tatsächlich nicht bezahlt hat, zu bedenken, die Entlassung könnte unverhältnismäßig sein. Sie verwies auf die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August dieses Jahres.

Nach dem Gesetz kann ein Zeitsoldat in den ersten vier Jahren entlassen werden, wenn er seine Diernstpflichten schuldhaft verletzt oder sein Verbleiben im Dienst die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft gefährden würde. Das könne der Fall sein, so die Bundesrichter, wenn eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr besteht. Dafür müsse es aber im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte geben. Es reiche nicht, die Nachahmungsgefahr grundsätzlich zu unterstellen.

Dem BVerwG-Urteil lag ein versuchter Umzugskostenbetrug eines jungen Soldaten in Höhe von 85,50 Euro zugrunde. An dieser Entscheidung, so die Vorsitzende nach längerer Beratung, werde sich die Kammer auch im vorliegenden Fall orientieren. Es gebe genügend niederrangige Disziplinarmaßnahmen, mit der das Vergehen des Klägers geahndet werden könne, sofern es denn überhaupt stattgefunden hat.

"Weshalb verneint das Gericht die Nachahmungsgefahr? Das bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung. Damit schreibt diese Kammer Rechtsgeschichte", kommentierte der Major die zu erwartende Entscheidung, die den Beteiligten demnächst schriftlich zugestellt wird. Der Klägeranwalt zeigte sich hochzufrieden. Die Bundeswehr will nach eingehender Klärung entscheiden, ob sie Berufung einlegen wird.

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