Ärzte und Patienten in einem Boot

TRIER. Erst wenn nächste Woche zahlreiche Ärzte tageweise ihre Praxen dicht machen, dürfte vielen Patienten klar werden, dass sich ab April auch für sie Grundlegendes ändern könnte.

Es brodelt unter der Ärzteschaft. Gingen die niedergelassenen Mediziner im Dezember und Januar noch wegen Honorarrückgängen (die Ärzte bekommen weniger als den im seit knapp einem Jahr geltenden einheitlichen Bewertungsmaßstab vereinbarten Punktwert von 5,11 Cent pro Behandlungsschritt) auf die Straße, protestieren sie nun, weil sie sich in ihrer Therapiefreiheit eingeschränkt fühlen. Der Protest der Ärzte in der kommenden Woche dürfte auch vielen Patienten erstmals vor Augen führen, was ab April möglicherweise auf sie zukommt. Denn das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) stellt einen grundlegenden Einschnitt in die medizinische Versorgung dar. Den Ärzten geht es bei ihrem Protest durchaus auch um den eigenen Geldbeutel. Denn das auch als Bonus-Malus-Regelung bezeichnete Gesetz, das am 1. April kommen soll, sieht vor, dass Ärzte, die zu viele teure Medikamente verschreiben, mit Honorarabzug bestraft werden. Wer kostengünstig verschreibt, erhält einen Bonus. Vorgabe der Politik, die die Arzneimittelausgaben bislang nicht in den Griff bekommen hat und medizinische Verordnungen von wirtschaftlichen Erwägungen abhängig macht. Immerhin verhallen die anhaltenden Proteste in Berlin nicht völlig ungehört. Statt - wie ursprünglich geplant - bereits bei einer Überschreitung der Verschreibungsvorgaben von fünf Prozent soll die "Strafe" nun erst ab zehn Prozent über dem Soll greifen. Für Carl-Heinz Müller, den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, ist diese Nachbesserung unerheblich: "Das ärztliche Honorar darf einfach nicht zur Refinanzierung der Arzneimittelausgaben dienen", kritisiert der Trierer Hausarzt die Regelung. Und dass Ärzte für besonders sparsames Verhalten belohnt werden sollen, das lehnt er aus "ethischen" Gründen ab. Jedesmal wenn ein Arzt dem Patienten ein anderes Medikament verschreiben müsse, auch wenn es von der Diagnose her angebracht sei, laufe er Gefahr, dass ihm persönliche Bereicherung als Motiv für die Entscheidung unterstellt werde."Unethische Regelung"

"Die Bonus-Malus-Regelung ist unethisch und mit der Verantwortung für die Gesundheit unserer Patienten nicht vereinbar", sagt Müller. Daher wundert es nicht, dass auch Patientenverbände - etwa die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten - sich solidarisch mit den Ärzten erklärt. Nächste Woche soll es sogar Gespräche mit hochrangigen Ärztefunktionären geben, um gemeinsame Aktionen von Patienten und Medizinern gegen das Arzneimittelsparpaket zu beschließen. Selbst die Krankenkassen zeigen in beschränktem Maß Verständnis für den Protest gegen das Bonus-Malus-System. Armin Lang, Leiter des Ersatzkassenverbands Rheinland-Pfalz, hält die Regelung für noch nicht ausgereift. Die für die Erfolgsmessung erforderlichen Kriterien seien nicht ausreichend definiert. Allerdings sollten die Mediziner schon stärker in die Verantwortung für steigende Arzneimittelausgaben genommen werden. "Dazu wäre es besser, die Ärzte vermeiden durch verantwortungsvolles Verordnen höhere Ausgaben", sagt Lang. Doch bei allem Verständnis für die Wut der Ärzte warnt er vor überzogenem Protest. Der innerärztliche Verteilungskampf um bessere Honorierung dürfe nicht zu Lasten der Patientenversorgung ausgetragen werden.

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