„In Rheinland-Pfalz wäre das nicht passiert“: TV-Interview mit Gewerkschaftsvize für Strafvollzug Franz-Josef Schäfer

Trier · Wie werden suizidgefährdete Häftlinge in den Gefängnissen kontrolliert? Offenbar gibt es große Unterschiede, je nachdem, in welchem Bundesland ein Häftling sitzt. Darüber sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz mit dem Vize-Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Strafvollzug, Franz-Josef Schäfer.

 Blick in die Justizvollzugsanstalt Leipzig. Al-Bakr wurde nicht als akut selbstmordgefährdet eingestuft, obwohl er eine Deckenlampe abgerissen hatte und die Steckdose manipuliert hatte. Foto: Sebastian Willnow

Blick in die Justizvollzugsanstalt Leipzig. Al-Bakr wurde nicht als akut selbstmordgefährdet eingestuft, obwohl er eine Deckenlampe abgerissen hatte und die Steckdose manipuliert hatte. Foto: Sebastian Willnow

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie vom Suizid des terrorverdächtigen Syrers in der Untersuchungshaft gehört haben? Schäfer: Mein erster Gedanke war: So etwas darf eigentlich nicht passieren. Dann dachte ich: Die Schuld bekommen jetzt bestimmt wieder die Kollegen in die Schuhe geschoben.
Wie werden Häftlinge normalerweise kontrolliert?
Schäfer: Strafvollzug ist Ländersache. Deshalb ist vieles von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. In Rheinland-Pfalz wird erst einmal mit dem Häftling gesprochen, bevor er in die Zelle kommt. Dann wird geschaut, ob er möglicherweise selbstmordgefährdet ist.

Und was passiert, wenn dem so ist?
Schäfer: Dann kann er beispielsweise in eine Zelle für mehrere Gefangene verlegt werden. Oder er kommt in eine Zelle, die kameraüberwacht ist. Möglich ist auch, dass man in regelmäßigen Abständen - etwa jede Viertelstunde - nach dem Häftling schaut.

Wie läuft die Kameraüberwachung ab?
Schäfer: Wenn die Suizidgefährdung so hoch ist, dass die viertelstündige Kontrolle nicht reicht, kann man den Gefangenen in einem Beobachtungshaftraum unterbringen. Die Justizbediensteten haben dann in ihren Räumen Monitore, über die sie den Häftling rund um die Uhr beobachten können.

Warum hat man das in Leipzig nicht gemacht?
Schäfer: In Sachsen gibt es diese Kameraüberwachung nicht. Das ist meiner Ansicht nach ein politisches Versäumnis. Ich glaube nicht, dass das in Rheinland-Pfalz passiert wäre.

Haben die Verantwortlichen in Sachsen nicht auch Fehler gemacht, etwa, indem die abgerissene Deckenlampe oder die manipulierte Steckdose in der Zelle nicht mit einer möglichen Selbstmordgefährdung in Verbindung gebracht wurden? Schäfer: Ich kann bei meinem jetzigen Kenntnisstand noch nicht sagen, da oder dort gab es Versäumnisse. Aber kaputte Gegenstände in einer Zelle könnten auch auf Vandalismus hindeuten. Das kommt vor, wenn jemand ins Gefängnis kommt. Welche Lehren sollten aus dem Vorfall im Leipziger Gefängnis gezogen werden? Schäfer: Wir brauchen in allen Bundesländern videoüberwachte Zellen.Zur Person

Franz-Josef Schäfer ist Vize-Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug. Der 64-Jährige war über 30 Jahre Lehrer in der Jugendstrafanstalt Wittlich. Er wohnt im Eifelort Oberweis

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