Kampf gegen Karussellgeschäfte

MAINZ. Rund 18 Milliarden Euro kosten den Staat jährlich betrügerische "Karusellgeschäfte" mit der Erstattung von Umsatzsteuer. Jetzt soll ein Planspiel testen, wie den Abzockern ein Strich durch die Rechnung gemacht werden kann.

Es ist organisierter Betrug, der einen Schwachpunkt im geltenden Steuersystem dreist ausnützt und den rheinland-pfälzischen Finanzminister Gernot Mittler(SPD) seit Jahren auf die Palme bringt. "Früher hieß es, wir überfallen eine Bank. Heute heißt es, wir betrügen das Finanzamt mit der Umsatzsteuer", sagt der Hüter der Landeskasse. Erleichtert wird das kriminelle Geschäft durch bürokratische Steuergesetze: Ein Händler, der einen anderen Händler beliefert, stellt Umsatzsteuer in Rechnung, der Empfänger muss sie bezahlen, macht sie aber beim Finanzamt als Vorsteuer geltend. Jede ausgewiesene Umsatzsteuer ist also für Zwischenhändler bares Geld wert. Für den Fiskus besteht dabei die Gefahr, dass die Umsatzsteuer vom Lieferanten gar nicht abgeliefert wird, der Empfänger jedoch diese Vorsteuer geltend macht oder sich auszahlen lässt. Um sich die Vorsteuer zu erschleichen, sind die so genannte Karussellschäfte mit langen Ketten von Lieferanten besonders beliebt. Schon lange will Mittler das Umsatzsteuersystem vereinfachen und die Kette der tatsächlichen oder vermeintlichen Umsatzsteuerzahler auflösen. Dann müsste nur noch vom Endverbraucher kassiert werden und das Thema Vorsteuer hätte sich erledigt. "Wo Umsatzsteuer nicht berechnet wird, kann sie auch nicht hinterzogen werden", so Mittlers Philosophie. Mit einem 1,4 Millionen Euro teuren Planspiel wollen Bund und Länder nun testen, wie die Steuer weniger betrugsanfällig gemacht werden kann. Ein Konsortium aus einer Anwaltskanzlei, der Universität Regensburg und einem Computer-Unternehmen spielt dabei typische Geschäftsverläufe durch, um ein System zu testen, bei dem möglichst keine Steuerverrechnung mehr anfällt. Auch ein "Bösewicht" soll eingeschleust werden und versuchen, das System auszuhebeln. Die Verpflichtung zur Zahlung von Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer geht auf den Empfänger der Waren über und fällt nicht an, solange die Geschäfte zwischen Unternehmen anfallen, erläutert Mittler. Wenn das Planspiel überzeugend funktioniert, sieht er die Chance, dass der Erfolg Eigendynamik entwickelt und die EU der neuen Steuerregelung zustimmt. Schließlich hat die Brüsseler Kommission selbst erkannt, dass das alte System "veraltet, betrugsanfällig und kompliziert" ist.

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