Schreck in der Mittagsstunde

MORBACH/HAHN. Eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg hielt am Freitag Bevölkerung und Rettungskräfte der Einheitsgemeinde Morbach in Atem. 800 Menschen mussten evakuiert werden. Anschließend wurde der Sprengkörper von Männern des Kampfmittelräumdienstes entschärft. Von der Aktion auch betroffen: die Einflugschneise zum Flughafen Hahn.

Der Schreck kam in der Mittagsstunde. "Ich wollte gerade essen gehen, als der Alarm kam", schildert Wehrleiter Marco Knöppel. Christoph Knippel eilt gar im feinen Zwirn in die Einsatzzentrale in der Gonzerather Schackberghalle. Der stellvertretende Ordnungsamtsleiter hatte wenige Minuten zuvor noch eine Ehe geschlossen. Arbeiter haben in einem Neubaugebiet in Gonzerath, einem Ortsteil von Morbach, Kreis Bernkastel-Wittlich, an einem Rohbau gebaggert, um dort eine Terrassenanlage vorzubereiten, als sie auf das Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg stoßen. Auch wenn man in der Einheitsgemeinde kaum Erfahrungen mit derlei Einsätzen hat, ist sofort klar: Das ist ein Fall für den Kampfmittelräumdienst. Die Vertreter von Gemeinde, Ortsbezirk, Feuerwehr, Polizei und Rotem Kreuz treffen sich zur Lagebesprechung. "Da wir noch nicht wissen, um was für eine Bombe es sich handelt, müssen wir im Umkreis von 300 Metern evakuieren", sagt Knippel, der die Einsatzleitung vor Ort hat. Horst Lenz und seine Männer lassen nicht lange auf sich warten. "Wo ist das Biest", fragt der Fachmann vom Kampfmittelräumdienst, der schon mehrere hundert ähnliche Einsätze hinter sich hat. Er befreit den Blindgänger mit einer Schaufel von Erdreich und stellt die Diagnose: "Fünf-Zentner-Bombe mit zwei Zündern". Eine schwierige Sache? Lenz: "Das weiß man immer erst hinterher." Der Sicherheitsradius wird wegen der starken Sprengkraft von 300 auf 500 Meter vergrößert. Peinlich genau durchkämmen Wehrleute von Morbach, Gonzerath und Merscheid die Häuser. Auch ein Supermarkt wird geräumt. Zwar befindet er sich außerhalb der Schutzzone, aber sicher ist sicher. Noch eine Hürde taucht auf. Gonzerath liegt in der Einflugschneise des Flughafens Frankfurt-Hahn. Entschärft werden darf erst, wenn sichergestellt ist, dass der Luftraum frei ist. Die Flugsicherheit signalisiert: Zwischen 16.50 und 18.15 Uhr müssen die Flugzeuge ausweichen. Zwischendurch halten die Verantwortlichen Kontakt mit dem Pfarrer. Denn an diesem Freitag soll eine Beerdigung stattfinden. Doch die Trauergesellschaft muss warten. Auch der Friedhof befindet sich innerhalb des 500-Meter-Radius. Die Schackberghalle, in die die Menschen zu ihrer Sicherheit geschickt werden, füllt sich. Die Menschen reagieren besonnen. "Wir sind Kriegskinder und haben Schlimmeres miterlebt", sagen Karl-Heinz und Maria Fuchs, die in Gonzerath ein Wochenendhäuschen haben. Doch nicht alle sind sorglos. "Ein bisschen Bauchgrimmen habe ich schon", gesteht Kurt Schabbach. Er und seine Frau Edeltrud denken auch an die Männer vom Kampfmittelräumdienst und ihren gefährlichen Job. Das Ehepaar wird wie alle anderen, die ihre Häuser verlassen mussten, mit Würstchen, Obst und Getränken versorgt. Auch Hausmeister Bob Reitz packt mit an. Er wollte heute eigentlich seinen 60. Geburtstag feiern. Doch daraus wird zunächst nichts. Und dann wird es still im Raum. Es ist 16.50 Uhr. Alle schauen wie gebannt auf die Uhr. Zwanzig Minuten später klingelt das Telefon. Christoph Knippel ist die Erleichterung anzusehen: "Die Bombe ist entschärft." Jetzt hat nicht nur der Hausmeister einen Grund zu feiern.

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