Zurück zur Demokratie: Vor 60 Jahren gründeten sich die politischen Parteien im Prümer Land neu

Prüm · Sie mussten „moralisch einwandfrei“, volljährig und unbelastet einer NSDAP-Vergangenheit sein, um in den Augen der französischen Militärverwaltung als Gründungsmitglieder für die politischen Parteien im Prümer Land bestehen zu können.

Als erste reichte die Sozialdemokratische Partei, die SP und spätere SPD, ihren Antrag zur Wiedergründung im Frühjahr 1946 bei der französischen Kommandantur in Schönecken ein. Der Kaufmann Heinrich May, die Drucker Wilhelm Müllbüsch und Jakob Spitzfaden, der Elektriker Martin Wilky, der auf der Gründungsversammlung als Vorsitzender gewählt wurde, sowie der Maurerlehrling Kasper Thürwächter unterzeichneten den Antrag und unterrichteten später die Stadt- und Kreisverwaltung darüber.

Der jüngste der damaligen Antragsteller, der heute fast 78-jährige Kaspar Thürwächter, erinnert sich noch gut an die Gründungsphase: „Die Franzosen in Schönecken hielten nicht allzu viel von den Sozialdemokraten in der Stadt und im Kreis Prüm. Dadurch, dass die Kommunistische Partei (KP) in Frankreich nach Kriegsende stärkste Partei war und eine Anzahl französischer Offiziere, die damals im Regierungsbezirk Trier stationiert war, der französischen KP angehörten, hegten die Franzosen die größten Sympathien für die Kommunisten unter den politischen Parteien.“

SPD-Anhänger hatten es nach dem Krieg schwer

Dies war mit ein Grund, dass Ende 1945 die Anzahl der KP-Anhänger im Stadt- und Kreisgebiet von Prüm größer war als ihr Anteil in der Bevölkerung, die sich den Sozialdemokraten zuwendeten. Letztere hatten vor allem unter den Handwerkern in der Stadt zahlreiche Anhänger, wobei in der Partei jedoch weniger als 30 Mitglieder eingeschrieben waren.

Der geringe Zulauf bei der SPD erklärte sich auch aus der Angst vor möglichen Nachteilen, und Kaspar Thürwächter beschreibt die damalige Situation so: „Es waren vor allem die beruflichen Nachteile, die die Leute befürchteten, wenn sie sich offen als Sozialdemokraten bekannten. Einige, darunter auch junge Leute, haben das bitter zu spüren bekommen. In der öffentlichen Verwaltung war so gut wie kein SP-Mitglied als Angestellter oder Beamter tätig. Beispielsweise wäre es undenkbar gewesen, wenn in Prüm damals ein beamteter Lehrer Inhaber eines ,roten Parteibuchs' gewesen wäre.“

Weitaus mehr Mitglieder hatte da schon zu Anbeginn die Gruppe, die sich als „bürgerliches Lager“ bezeichnete und in der Christlich-Demokratischen Partei (CDP, später CDU) im Mai 1946 zusammenschloss. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählte der Schulrat Toni Hansen, der Angestellte Michel Manderfeld, der Kaufmann Josef Clemens, der Rohrmeister Mathias Fischbach und Oberstudiendirektor Hermann Lentz. Auch sie konnten dem französischen Kommandanten eine „moralisch einwandfreie Gesinnung“ nachweisen, denn durch ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus hatten beispielsweise Hansen und Lentz große persönliche und berufliche Nachteile erlitten. Letzterer war zeitweilig sogar von der Gestapo inhaftiert worden.

Als dritte politische Kraft hatte sich gleich nach dem Krieg die Kommunistische Partei wieder formiert und schon im August 1945 erste Kontakte zur französischen Kommandantur in Schönecken hergestellt. Sie stellte jedoch keinen Antrag auf Zulassung eines Stadtverbands, sondern gründete verschiedene Stützpunkte auf Kreisebene, vornehmlich in einigen Orten an der Kyll. Der Erste Kreissekretär der KP, Hans Löher, hatte in Birresborn sein Parteibüro und organisierte von hier aus überall im Kreis Versammlungen und Kundgebungen.

Sozialdemokraten, Christdemokraten und Kommunisten stellten sich bei den ersten Gemeinderatswahlen nach dem Zweiten Weltkrieg am 15. September 1946 in der französischen Zone zur Wahl.

Die Liberalen waren noch nicht vertreten, denn sie begannen sich im Prümer Land erst zur Bundestagswahl 1949 zu organisieren. In der Stadt Prüm gaben 974 der 1111 Wahlberechtigten ihre Stimme ab, was einer Wahlbeteiligung von fast 88 Prozent entsprach. Die CDP erreichte dabei 79,1 Prozent (734 Stimmen), die SP 14,8 Prozent (137 Stimmen) und die KP erzielte mit 57 Wählerstimmen einen Anteil von 6,1 Prozent.

TV-Archiv 15.07.2006

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