"300 Meter Himmel auf Erden reichen nicht"

Radfahrer gegen Autofahrer: Der Artikel "Autofahrer am Internetpranger" vom 17. September hat eine Kommentar- und Leserbriefflut ausgelöst. Der TV spiegelt Meinungen und geht dem Problem Radfahren in Trier auf den Grund.

 Beim Thema Radfahren scheiden sich die Geister. TV-Foto: Friedemann Vetter

Beim Thema Radfahren scheiden sich die Geister. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Ausnahmezustand in Trier. Radfahrer und Autofahrer kämpfen um die Verteilung der Straßen in der Innenstadt! So könnte demnächst die Schlagzeile lauten, schenkt man den nunmehr 137 Kommentaren und zahlreichen Leserbriefen, die zum Artikel "Autofahrer am Internetpranger" (TV vom 17. September) beim Trierischen Volksfreund eingegangen sind, Glauben.

Die Berichterstattung drehte sich um die Internetseite mybikelane, auf der Radfahrer falschparkende Autofahrer mit Foto ihrer Fahrzeuge und Ortsangabe zum Vergehen ablichten. In den Kommentaren beschuldigten sich Radfahrer und Autofahrer gegenseitig verschiedener Vergehen, Einsicht und gegenseitiges Verständnis gab es nur selten. Repräsentativ sind die Meinungen nicht. Doch sie zeigen, dass die Fronten zwischen Autofahrern und Radfahrern in Trier verhärtet zu sein scheinen. Ein heikles Thema also, an dem sich die Geister scheiden. Ein Anlass für den TV, einige dieser Meinungen zu spiegeln und dem Problem auf den Grund zu gehen.

Der User Peter_I schreibt: "Zugeparkte Fahrradspuren, das ist ein Thema in Trier. Aber auch von Radfahrern zugeparkte Fußwege oder Durchgänge." Sonntagsfahrerverbot meint: "Ein solcher (Internet-)Pranger unabhängig von der Rechtslage ist Mist. Es wird nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen und der unsinnige Kleinkrieg zwischen motorisierten und unmotorisierten Schwachköpfen geht weiter."

Dass die Situation für Radfahrer in Trier schlecht ist, ergab auch eine Umfrage der Stadt im Rahmen des Mobilitätskonzepts 2020. Eine weitere Kritik der Befragten ist das "regelwidrige Parken auf Geh- und Radwegen", wobei hier Sanktionen vermisst werden. Ralf Frühauf vom Presseamt der Stadt Trier: "Die Fotos auf der Internetseite mybikelane entsprechen den uns bekannten Stellen wie Zurmaiener Straße und Pacelliufer. Durch intensive Kontrollen konnte eine wesentliche Verbesserung der Situation herbeigeführt werden." Verstöße werden laut Frühauf mit Verwarnungsgeldern zwischen fünf und 35 Euro bestraft. Frühauf: "Bei schwerwiegenden Behinderungen kann ein Auto abgeschleppt werden."

Er erklärt weiter: "Von 80 000 Verwarnungen insgesamt liegt der Anteil von Rad- beziehungsweise Gehwegparkern bei jeweils fünf Prozent." Insgesamt seien die Fallzahlen rückläufig. Eine Aufschlüsselung, wie oft Radfahrer Gehwege zuparken, gibt es allerdings nicht.

Doch die Problematik rund um das Radwegenetz in Trier bleibt. "Es gibt kein durchgängiges Radwegenetz. Die Verkehrsinfrastruktur ist klar auf die Autos ausgerichtet", bestätigt Fabian Bauer, zweiter Vorsitzender des ADFC Trier. Nicht umsonst rangiert Trier, was die Radfahrerfreundlichkeit betrifft, beim Fahrradklimatest 2005 auf Platz 88 von 93 Städten. Einiges hat die Stadt bereits getan, um den Radfahrern das Leben leichter zu machen. Dazu gehört laut ADFC die Öffnung der Fußgängerzone von neun bis elf Uhr, die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr oder die Radfahrstreifen in Teilen der Hohenzollernstraße und der Straßburger Allee.

Allerdings gebe es bisher vernünftige Lösungen nur dort, wo keine Einschnitte für den Autoverkehr zu befürchten seien, so der ADFC. "Wir wünschen uns ein Gesamtkonzept, keine Stücklösungen", fordert Fabian Bauer. "300 Meter überteuerter Himmel auf Erden wie die Erneuerung an der Spitzmühle reichen nicht."

Dort führt der Radweg auf dem Bürgersteig entlang. Eine kostspielige Lösung, die weder sinnvoll noch notwendig sei. Ideal wären Radfahrstreifen auf der Fahrbahn. "Dort fahren Radfahrer für den Autoverkehr sichtbar, die Gefährdung durch abbiegende Fahrzeuge ist geringer. Und der Fußgänger muss den Bürgersteig nicht teilen", so Bauer.

Bisher sind die Radfahrer mit rund zehn Prozent als Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr vertreten. Bauer: "Wenn sich die Stadtpolitik weiter pro Radfahren entwickelt, könnten es wie in Kopenhagen 35 Prozent werden." Bis dahin fordert Bauer zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Vorsicht auf.

Meinung

Miteinander statt gegeneinander

Es gibt zu wenige Radwege in und um Trier. Touristen fahren an der Römerstadt vorbei, ohne sie zu bemerken. Das kostet die Stadt Einnahmen, die zum Ausbau des Radwegenetzes verwendet werden könnten. Die Beschilderung und Beschaffenheit der Wege lässt oft zu wünschen übrig. Bisher schafft es die Stadt nur dort Radwege einzurichten, wo gerade die Straße saniert wird. Stückwerk nennt man das. Bei Rad- wie Autofahrern verursachen so viele Varianten von Radwegen, wie es sie in Trier gibt, schlichtweg Unsicherheit. Unklare Regelungen fördern die Unfallgefahr. Natürlich kostet der Ausbau des Radwegenetzes viel Geld. Preiswerter würde die Stadt laut ADFC mit der sparsameren Variante des Schutzstreifens auf der Straße fahren, anstatt Radwege auf dem Bürgersteig zu integrieren. Beiderseitige Zufriedenheit würde eine bessere Zusammenarbeit zwischen ADFC und Stadt bringen. Klar ist jedoch: Ein gut ausgebautes Radwegenetz wird es in naher Zukunft in Trier nicht geben. Ein Auskommen ist nur mit gegenseitiger Rücksichtnahme möglich. Schade nur, dass alle zu vergessen scheinen, dass sie immer Fußgänger, Rad- und Autofahrer sind. Da dürfte ein wenig mehr Einfühlungsvermögen nicht schwer sein. m.radics@voksfreund.de

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