Frech, sarkastisch und völlig französisch

Franz Weißebach, Trierer Schalk und Stifter des Palastgartens, trifft den Glöckner von Notre Dame, über die Champs Élysées rollt ein Fass Viez, und Helmut Leiendecker kocht auf Französisch: Die KG Heuschreck tobt hinter den Kulissen von Paris.

Trier. Der typische Franzose in Musik, Film und Literatur ist ein zu großer Melancholie und tiefer Leidenschaft fähiger Charakter. Die typischen Klischees - Rotwein, Frauen, schöne Künste - passen auf den ersten und auch zweiten Blick nicht zu den Narhalla-Märschen und Büttenreden dieser Welt. Dennoch hat sich die KG Heuschreck, Triers älteste und größte Karnevalsgesellschaft, nach Venedig 2008 und der Flower Power 2009 in diesem Jahr das Motto "Hinter den Kulissen von Paris" ausgesucht. Eine Herausforderung, der die Bütten-Profis allerdings gewachsen waren. Dieser Ansicht waren offensichtlich auch 650 fröhliche Besucher der Gala-Sitzung in der Europahalle.

Wie kriegen wir die Kurve von Trier nach Paris? Helmut Leiendecker hatte damit kein Problem. Im Gewand eines Küchenchefs erzählte er wie immer im tiefsten Trierer Platt von seiner Karriere als Koch in Frankreich. Komisch war er, mächtig unterhaltsam auch, und der Rest war ein Ritt auf der Riesen-Welle der Sympathie, auf der die Trierer Ikone verdientermaßen seit Jahren surft.

Harald Reusch kommt anders rüber. Der Heuschreck-Präsident ist kein Brüller wie Leiendecker. Er schlug leise, geradezu lässig zu ("Rainer Brüderle hat von Wirtschaft soviel Ahnung wie Guido Westerwelle von Büstenhaltern"), bot analytische Polit-Satire von Berlin bis Washington ("Gregor Gysi ist die Stradivari der politischen Arschgeigen") und verblüffte wie immer mit seiner Art, frei vorzutragen und nur sehr selten auf das Manuskript zu blicken.

"Das sagt euch der Franz Weißebach"



TV-Redakteur Dieter Lintz feierte 2009 Premiere mit einem Alter Ego, das in Zukunft Stammgast bei den Heuschrecken sein wird. Als Franz Weiße bach, 1925 verstorbener Trie rer Privatier und Witzbold, nahm er die lokale Politik und Gesellschaft in den Schwitzkasten. Deren Leistungsträger werden einen Satz noch öfter hören: "Die Nummer fand ich wirklich schwach. Das sagt euch der Franz Weißebach."

Man weiß nicht, was er sich als Nächstes ausdenkt - so spricht das Narrenvolk mit einer Mischung aus Vorfreude und leiser Besorgnis über Gerhard Kress. Vielleicht sprengt er ja irgendwann mal die Bühne. Dieses Mal baumelte der Meister der Wandlung als Quasimodo an einem Tau und nahm französisch akzentuiert Kirche und Bildung aufs Korn. "Warum hat die katholische Kirche alle Toiletten zugemauert? Damit nicht mehr so viele austreten."

Heuschreck hatte noch mehr Höhepunkte zu bieten. Rainer Lübeck überzeugte als Flic. Der Heuschreck-Chor machte eine Rundfahrt durch Paris, das Heuschreck-Showballett beherrschte den French Can Can aus Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" ebenso wie ihre rhythmisch gestampfte Startnummer aus der amerikanischen Stomp-Szene. Hier sieht man die Handschrift des neuen Leiters Reveriano Camil.

Die Aktiven: Harald Reusch, Gerhard Kress, Alexander Houben, Dieter Lintz, Lino und Andrea Ley, Rainer Lübeck, Helmut Leiendecker, die Mehringer Winzerkapelle, der Heuschreck-Chor unter der Leitung von Stefan May, Thomas Kießling, Garde und Ballett (Hannah Arnoldy, Ann-Kristin Berweiler, Carolin Berweiler, Rebecca Dawen, Anna Dempfle, Helena Ferber, Carolin Fischer, Judith Petri, Christina Reusch, Anna Roos, Amrei Roth, Felicia Roth, Leonie Schneider, Johanna Wege, Kathi Schömer), Kinderballett (Ann-Sophie Ammer, Luisa Arnoldy, Charlotte Konrad, Lena von Drathen, Franziska Göbel, Julia Hendricks, Anjana Schiffmann, Florence Croizé Tourcelett, Bärbel Ellwanger), Kurt Oster am Akkordeon.

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