Die Jungen gehen, die Alten bleiben

Oberelz/Betteldorf/Gerolstein-Büscheich · Alte Häuser, immer weniger Menschen, kaum junge Leute: Die Probleme, mit denen viele Dörfer zu kämpfen haben, ähneln sich. Wie sie mit den Folgen der demografischen Entwicklung umgehen können, wird beispielhaft in drei Orten im Kreis untersucht: Oberelz (Verbandsgemeinde Kelberg), Betteldorf (VG Daun) und Gerolstein-Büscheich (VG Gerolstein).

Oberelz/Betteldorf/Gerolstein-Büscheich. Die vier Verbandsgemeinden Daun, Gerolstein, Kelberg und Ulmen nehmen seit dem vergangenen Jahr am Projekt "DIE Chance für das Dorf" teil (siehe Extra). Ziel: Strategien zum Umgang mit den Problemen zu entwickeln, die alle kleineren Orte in der Region plagen.
Ideen gemeinsam erarbeiten


Modellhaft soll dies im Kreis Vulkaneifel in drei Orten geschehen: Oberelz, Betteldorf und Gerolstein-Büscheich. Die dort gemeinsam mit den Bürgern erarbeiteten Ideen sollen dann allen anderen Dörfern zugänglich gemacht werden.
Schon heute stehen in den 125 Dörfern und Ortsteilen in den vier Verbandsgemeinden durchschnittlich 6,2 Prozent der Wohngebäude leer - in einzelnen Gemeinden sind es über 20 Prozent. Auch ein Blick auf die potenzielle Leerstandsquote ist aufschlussreich: In den nächsten Jahren werden 13,2 Prozent der Gebäude leerstehen - in manchen Gemeinden 40 Prozent, weil die Bewohner sterben und die Häuser nicht neu verkauft oder vermietet werden.
Was den Leerstand angeht, steht Büscheich noch recht gut da. "Viele Touristen kaufen sich hier ein Wochenendhaus", sagt Ortsvorsteher Oswald Weber. Problem: Sie beteiligen sich nicht unbedingt am Dorfleben. Fünf Vereine hat der Ortsteil, in dem etwas mehr als 500 Menschen leben. "Es fehlt vor allem an Infrastruktur", sagt Weber. In Büscheich gibt es keine Geschäfte, keine Schule, keinen Kindergarten, kein schnelles Internet, nicht überall Handyempfang. Wie will sich der Ort für die Zukunft aufstellen? "Unser Motto ist: Hier wohnen, in Gerolstein arbeiten", sagt Weber. Er könne jungen Familien Baugrundstücke in einem ruhigen Umfeld anbieten, mit kurzen Wegen zu Schulen und Kindergärten in Gerolstein.
Potenzial im Tourismus


Auch im Tourismus sieht er Potenzial. Was genau die Teilnahme am Dorfprojekt bringen wird, kann er noch nicht einschätzen. "Da hängen wir noch ein bisschen in der Luft". Er hoffe aber auf "einen Schub" für die Dorfentwicklung.
In Oberelz ist die Lage ähnlich. 123 Einwohner leben in dem Ort, der von den Wissenschaftlern als "typisches Straßendorf", beschrieben wird. Das heißt: Die Häuser liegen entlang einer Hauptstraße, nicht beispielsweise rund um eine Kirche. "Wir haben hier fast nichts mehr", sagt Ortsbürgermeister Franz Breitbach. Zwei Vereine gibt es noch, Geschäfte und Kneipen schon lange nicht mehr. Auch Breitbach erhofft sich durch das Projekt neue Ideen, insbesondere in Zeiten knapper Kassen.
In Betteldorf liegen die Probleme etwas anders: Im Dorfkern stehen viele sehr alte Gebäude, die von älteren Menschen bewohnt werden, am Dorfrand gibt es aber mehrere Neubaugebiete. Bisher stehen deshalb insgesamt wenige Häuser leer, die Forscher erwarten langfristig allerdings einen hohen Leerstand im Dorfkern. Das ist auch aus Sicht des Ortsbürgermeisters das größte Problem. "Dazu kommt, dass wir keine eigene Infrastruktur haben", sagt Werner Michels. Es fehlen Arbeitsplätze im Ort und Einkaufsmöglichkeiten. Die Teilnahme am Projekt ist lange diskutiert worden. "Wir erhoffen uns konkrete Ideen für den Umgang mit dem Thema Leerstand", sagt Michels.
Bürger nicht bevormunden


Andererseits wolle man aber die Betteldorfer auf keinen Fall bevormunden. "Die Leute sind jetzt schon sehr engagiert und machen viel selbst", sagt er. Er hoffe, genauso wie seine Kollegen aus Oberelz und Büscheich, dass er durch das Projekt noch mehr Menschen überzeugen könne, sich für ihr Dorf zu engagieren.
Meinung

Worten müssen Taten folgen
Dass wir immer weniger werden, ist seit Jahren bekannt. Dass das viele negative Folgen für Städte und Gemeinden hat, auch. Jetzt gilt es, endlich etwas zu tun. Wie stärken wir den Zusammenhalt in unserem Dorf? Wer bringt sich wo ehrenamtlich ein? Wie sorgen wir dafür, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und die Mobilität auch für ältere Menschen gesichert ist? Das sind die wirklich wichtigen Fragen, auf die es - nicht nur in den Modelldörfern - eine Antwort zu finden gilt. Dafür müssen die Dörfer auch einmal den Wohlfühlbereich verlassen und ihren Bürgern klarmachen, wie dringend ihre Mithilfe gefragt ist. Die erneute Analyse der Probleme im Rahmen von "DIE Chance für unser Dorf" ist gut und schön, das Projekt wird sich hinterher allerdings daran messen lassen müssen, welche konkreten Lösungen daraus hervorgegangen sind. Denn Reden allein hilft bei diesem Thema schon lange nicht mehr. m.meissner@volksfreund.deExtra

"DIE Chance für das Dorf" ist ein Projekt der vier Verbandsgemeinden Daun, Gerolstein, Kelberg und Ulmen in Kooperation mit Wissenschaftlern des Instituts für Regionalmanagement in Gießen und dem Stadtplanungsbüro Plan-Lenz in Winterspelt. Es ist 2011 gestartet und läuft noch bis 2014. Nach einer Bestandsaufnahme in den 125 Dörfern in den Verbandsgemeinden (zum Beispiel zu den Faktoren Wirtschaftssituation, Dorfgemeinschaft, Infrastruktur und Internetanbindung) wurden mit einem Wettbewerb sogenannte Modelldörfer gesucht. Beworben haben sich insgesamt 19 Dörfer. Neben den drei Gemeinden aus dem Landkreis Vulkaneifel ist auch noch Alflen (Verbandsgemeinde Ulmen) dabei. In Gerolstein-Büscheich findet am Montag, 29. Oktober, um 19 Uhr eine Auftaktveranstaltung für die Bürger statt, in Betteldorf am Mittwoch, 7. November, um 19 Uhr. mem

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