Lernen von den Wikingern

Vorbild Skandinavien: Eine Delegation der Lebenshilfe aus der Eifel hat sich in Behinderteneinrichtungen in Norwegen über neue Wege in der Betreuung behinderter Menschen informiert.

 Kaffee-Plausch in Norwegen (von rechts): Herdis Grimeland aus Förde und Monika Zeimantz aus Gerolstein sprechen gemeinsam mit dem norwegischen Sozialpädagogen Roland Schwarz über Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten für Behinderte in Deutschland und Norwegen. Foto: Westeifel Werke/Hermann Dahm

Kaffee-Plausch in Norwegen (von rechts): Herdis Grimeland aus Förde und Monika Zeimantz aus Gerolstein sprechen gemeinsam mit dem norwegischen Sozialpädagogen Roland Schwarz über Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten für Behinderte in Deutschland und Norwegen. Foto: Westeifel Werke/Hermann Dahm

Gerolstein/Förde. (red) Auf Initiative der Westeifel Werke (WEW) hat eine 13-köpfige Delegation mit Vertretern der WEW, der Lebenshilfen, des Elternbeirats und Heimbeirats, der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Rheinland-Pfalz und der Bundesarbeitsgemeinschaft für Werkstätten eine Kommune in Norwegen besucht, um sich vor Ort einen Einblick in die Arbeit für und mit geistig behinderten Menschen zu verschaffen.

Der Ort Förde wurde dabei bewusst ausgewählt, da er sowohl von der Bevölkerungszahl als auch wegen der ländlich geprägten Struktur mit der Eifel vergleichbar ist. Ferdinand Niesen, Geschäftsführer der Westeifel Werke, sagte: "Nur so macht ein Vergleich von den Inhalten bis zu den Kosten Sinn. Schließlich wollen wir daraus Lehren ziehen und gegebenenfalls konkrete Dinge übernehmen", sagte Niesen.

Mitgereist ist auch Monika Zeimantz aus Gerolstein, die selbst geistig behindert ist und seit 1985 im Wohnheim der Lebenshilfe in einer Außenwohngruppe ihr Zuhause hat. Als Vertreterin des Heimbeirats war sie neugierig darauf, wie behinderte Menschen in Norwegen leben, wohnen und arbeiten. "Ich will mal selbst von den Leuten hören, wie es ihnen geht und ob sie sich wirklich wohler fühlen als wir in Deutschland", sagte sie.

Individuelle Betreuung in Norwegen



Bei einem Nachmittagskaffee lernte sie die Norwegerin Herdis Grimeland kennen, die ebenfalls gehandicapt ist. Sie ist 51 Jahre alt und wohnt erst seit einem Jahr in ihrer eigenen Wohnung in Förde. Tagsüber besucht sie stundenweise ein Aktivitätencenter und stickt dort vorzugsweise Wandbilder. Weiterhin trägt sie wochentags an drei Stunden für die Kommune Förde die Post von der einen zur anderen Verwaltung aus.

Schnell erkennbar wurde, dass selbst schwerst- und mehrfach-behinderte Menschen in Norwegen sehr viel individueller und personenbezogener über ausgebildete persönliche Assistenten betreut werden. Dass dies wie überall nicht ohne Alltagsprobleme abläuft, bestätigte der für die Kommune Förde zuständige Mitarbeiter Harald Björte Reite. "Die Mehrkosten für die Umstellung auf das ambulante System von gut einem Drittel sind weniger das Problem als die Rekrutierung von Fachpersonal", sagte Reite. Anders als in Norwegen werden in Deutschland behinderte Menschen mehr noch in Gruppenformen und innerhalb von Einrichtungen betreut. Die Frage, in welchem Land es denn nun besser sei, konnte Monika Zeimantz am Ende des Norwegenbesuches nicht eindeutig beantworten. Ihre diplomatische Antwort fiel so aus: "Die Werkstätten haben mir nicht so gefallen, denn die haben ja kaum Arbeit da. Aber die eigenständige große Wohnung von Herdis fand ich schon gut und sehr angenehm."

Extra Europaweit gilt Skandinavien und speziell Norwegen als Vorbild in der Versorgung behinderter Menschen in ambulanten Strukturen. Seit 1991 gilt in Norwegen der Grundsatz der ambulanten Versorgung. Die Folge: Seit nunmehr 19 Jahren gibt es in der Verantwortung der einzelnen Kommune eine individuelle Versorgung für geistig behinderte Menschen, meist in der eigenen Wohnung und mit Hilfe von persönlichen Assistenten. Die Rahmenbedingungen können sich europaweit vergleichsweise gut sehen lassen. Neben einer garantierten Rente wegen Arbeitsunfähigkeit ab dem 18. Lebensjahr kommen ein Anspruch auf eine eigene Wohnung mit mindestens 50 Quadratmetern und das Recht auf individuelle Betreuung, so wie es der Hilfebedarf erforderlich macht.

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