Selbsthilfe ist kein Auslaufmodell

DARSCHEID. (sts) Rund 120 Selbsthilfegruppen hatten sich angemeldet, gut 300 Teilnehmer waren gekommen: Diese Zahlen der Tagung für Selbsthilfegruppen in der Klinik Thommener Höhe wertete Organisator Winfried Haug als "olympischen Rekord".

Die Vertreter von mehr als 100 Selbsthilfegruppen aus dem Bundesgebiet hatten sich auf den Weg in die Eifel gemacht, um bei der Fachtagung für Selbsthilfegruppen in der Klinik Thommener Höhe dabei zu sein, die seit vielen Jahren angeboten wird. In der Einrichtung in der Nähe von Darscheid werden Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige behandelt. In der Turnhalle versammelten sich rund 300 Teilnehmer, was Winfried Haug als "olympischen Rekord" wertete. Folgerichtig eröffnete Haug, der in der Klinik als Therapeut arbeitet und die Tagungen mitorganisiert, aber an diesem Tag als Moderator fungierte, die Veranstaltung als die "Thommen Alcolympics". "Was ist das Geheimnis von Selbsthilfegruppen?" war die Fachtagung in der Klinik in der Nähe von Darscheid überschrieben. Zwar wurde das Netz der Selbsthilfe grundsätzlich für unverzichtbar und nicht für ein "Auslaufmodell" gehalten, aber es fehlte in der Diskussion auch nicht an kritischen Tönen. Vor allem ging es auch um die Frage, ob die Selbsthilfegruppen gewappnet sind für neue Herausforderungen. Und die werden kommen, das wurde im Verlauf einer Podiumsdiskussion deutlich. Die Organisatoren der Fachtagung hatten es geschafft, eine wohl "einmalige Konstellation" (Winfried Haug) in der Besetzung des Podiums zu schaffen. Vor allem zwei bekannte Namen fanden sich auf der Liste: Jürgen Leinemann, Buchautor, Journalist und ehemaliger Büroleiter des "Spiegel" in Washington, Bonn und Berlin, und Jaques Berndorf alias Michael Preute, Journalist und "Vater" der Eifelkrimis. Sie waren nicht zufällig eingeladen worden, denn beide konnten von ihren Erfahrungen als Alkoholiker berichten. Leinemann erzählte den gespannten Zuhörern von seinem "Schlüsselerlebnis" 1976, als er in einer Bahnhofskneipe in Karlsruhe beschloss, mit dem Trinken aufzuhören. Gleiches widerfuhr dem Krimi-Autor Preute, der in einer Arztpraxis in Tel Aviv (Israel) dem Alkohol abschwor. Neben den beiden "Promis" saßen Heinz-Josef Jansen, Geschäftsführer des Kreuzbunds Deutschland, und Walter Dresch, Arzt und Suchtspezialist aus Köln, mit auf dem Podium. Jansen prognostizierte, der "klassische Alkoholiker" sterbe nicht aus, deshalb würden Selbsthilfegruppen auch in Zukunft gebraucht. Angesichts leerer staatlicher Kassen werde sogar mehr Arbeit auf die Gruppen zukommen. Neben dem Austausch persönlicher Erfahrungen, Meinungen und Analysen zur Frage, was die Wirkung und Bedeutung von Selbsthilfegruppen bedeuten, wurden auch Themen wie Mitgliederschwund und Überalterung der Selbsthilfegruppen angesprochen. Dabei blieb es nicht den Gästen auf dem Podium vorbehalten, sich zu diesen Themen zu äußern, sondern alle Teilnehmer waren aufgefordert, ihre Meinung zu sagen. Davon wurde reichlich Gebrauch gemacht. Im kommenden Jahr werden sich die Teilnehmer an einen neuen Tagungsort gewöhnen müssen: 2005 ist das Treffen der Selbsthilfegruppen für Suchtkranke in der erweiterten Klinik am Rosenberg in Daun.

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