Sichtlich beeindruckt von einer neuen Welt

Marco Weber (36) aus Lissendorf tritt bei der Landtagswahl als FDP-Direktkandidat im Landkreis Vulkaneifel an. Der TV hat den Vollerwerbslandwirt bei einem seiner Wahlkampfauftritte begleitet: in der Behindertenwerkstatt der Westeifel-Werke in Gerolstein.

Gerolstein. Sobald man durch die Tür der Westeifel-Werke in Gerolstein tritt, gelangt man in eine andere Welt: Am Empfang begrüßt keine Blondine im kleinen Schwarzen und mit schneidigem Ton die Besucher, wie in vielen anderen Firmen, sondern der überaus zuvorkommende, aber eben auch etwas langsamer sprechende Herr Strassfeld. Er ist wie rund 550 weitere Mitarbeiter der vier Westeifel-Werkstätten in der Eifel gehandicapt.

Einige seiner Kollegen ruhen sich etwas weiter hinten auf den Bänken der Empfangshalle von der Arbeit aus, reden miteinander und beobachten genau, wer gerade zur Tür reinkommt. Auf neue Gesichter sind die Damen und Herren besonders scharf. Oft wird man sofort in ein Gespräch verwickelt, die Fragen sind meist direkt: Wie heißt du? Bist du verheiratet? Was machst du hier?

Damit souverän umzugehen - Gewöhnungssache. Auch für Marco Weber, 36 Jahre alt, verheiratet, zweifacher Familienvater, Vollerwerbslandwirt aus Lissendorf und eben auch FDP-Direktkandidat im Landkreis Vulkaneifel bei der anstehenden Landtagswahl am 27. März.

Doch "bang" ist Marco Weber nicht. Im Gegenteil: Er geht offen auf die Leute zu, ruft ein kräftiges "Guten Tag" in den Raum und erntet so direkt Anerkennung. Und beim Rundgang durch die Produktionsstätten, Therapie- und Ruheräume sowie beim gemeinsamen Gespräch mit der Geschäftsführung und dem Werkstattrat, der gewählten Vertretung der behinderten Mitarbeiter, verzichtet er bewusst darauf, sich in den Vordergrund zu drängen, Aufmerksamkeit zu erhaschen, Fachkompetenz vorzugaukeln, mit geschliffenen Worten zu punkten - wie es bei vielen Politikern der Fall ist. "Ich bin neu im politischen Geschäft und zum ersten Mal in den Westeifel-Werken. Da werde ich bestimmt nicht mit irgendwelchen Versprechungen kommen", sagt er beinahe ein wenig entschuldigend, aber vor allem erfrischend ehrlich.

Nicht Parteiideologe, sondern Praktiker



Gerade solche unumwundenen Aussagen sind es, die das Bild von ihm prägen - nicht Parteiideologe, sondern Praktiker: Es gibt ein Problem, also lass es uns mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln lösen.

Und deshalb hört er genau zu, blickt sich um, nimmt auf, fragt nach - und zeigt sich sichtlich beeindruckt. "Unglaublich, was hier alles geleistet wird, wie fit die Behinderten sind, wenn sie angeleitet werden", sagt er und schüttelt noch immer vor Erstaunen den Kopf. "Da fährt man seit Jahren mindestens einmal die Woche hier vorbei und hat überhaupt keine Ahnung, was hier drinnen vor sich geht."

Die Bilanz seines ersten Besuchs bei den Westeifel-Werken, zu dem er auch die behindertenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gabriele Molitor aus Euskirchen, mitgebracht hat, ist für Weber in zweierlei Hinsicht positiv: "Was hier in 40 Jahren aufgebaut wurde, ist allein rein wirtschaftlich eine Erfolgsgeschichte, wenn man bedenkt, dass hier alles in allem 1300 Menschen auf der Lohnliste stehen."

Und auch menschlich zeigt sich Weber, der im erweiterten Verwandten- und Bekanntenkreis selbst mit Behinderung zu tun hat, beeindruckt: "Man spürt beim Rundgang, wie wichtig es ist, diesen Leuten Hilfestellung zu geben und sie so an der Arbeit, am Leben teilhaben zu lassen. Die Leute fühlen sich wohl, das Leben hat für sie einen Sinn." Das gelte es, unbedingt zu unterstützen. EXTRA

Drei Themen, für die sich Marco Weber bei seinem Einzug in den Landtag vorrangig einsetzen will: Erneuerbare Energien, Landwirtschaft, Umwelt: Für den Vollerwerbslandwirt, der sich auf diesen Themenfeldern auskennt, hängt das alles zusammen. Weber ist für einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien und sieht vor allem für die Landwirte ein Standbein im Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zur Energieerzeugung. Für ihn ist das nicht nur eine Möglichkeit, die Wertschöpfung in der Heimat zu verbessern, sondern auch aktiver Umweltschutz. Struktur- und Kommunalreform: Hauptziel hierbei ist für ihn der "Erhalt des Vulkaneifelkreises". Das Vorhaben der Landesregierung hält er für unzureichend, da beispielsweise die Mittelinstanzen wie die ADD unangetastet bleiben. Weber ist für eine neue Aufgabenverteilung mit dem Ziel der Stärkung der Kreise und der Ortsgemeinden. Dann sei auch eine Abschaffung der Verbandsgemeinde erstrebenswert. Kommunalfinanzen: "Die Kommunen müssen wieder den finanziellen Gestaltungsspielraum erhalten, so dass von einer kommunalen Selbstverwaltung gesprochen werden kann", sagt Weber und fordert eine grundlegende Reform der Finanzausstattung. Er sagt: "Wenn man bei der Kommunalaufsicht nachfragen muss, ob es außer für den Blumenstrauß auch noch für ein Pfund Kaffee anlässlich eines 90. Geburtstags reicht, dann brauchen wir auch keine Gemeinderäte mehr." (mh)

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