Von Gletschern und der großen Liebe: Eifeler Fotograf dokumentiert Klimawandel in Grönland und lernt im ewigen Eis seine Lebensgefährtin kennen

Daun/Birresborn · Schmelzende Gletscher, gefrorene Schokoriegel und die Angst vor Eisbär-Attacken: Das ewige Eis von Grönland war und ist immer wieder die Heimat von Sven Nieder. Dort lernte er seine Lebensgefährtin kennen. Der Fotograf lebt inzwischen wieder in Daun, Kunstkenner bewundern seine Bilder. Dabei gingen die Anfänge mit der Kamera nach hinten los.

 Bei der Kälte in Grönland friert Sven Nieder der Bart ein. Foto: Hans Nieder

Bei der Kälte in Grönland friert Sven Nieder der Bart ein. Foto: Hans Nieder

Foto: Sven Nieder (e_daun )

Eine erfolgreiche Geschichte beginnt manchmal mit einem grandiosen Scheitern. So wie bei Sven Nieder. Der Birresborner Fotograf pilgerte vor einigen Jahren auf dem Jakobsweg. Mit 100 Filmen, drei Kameras und einem Stativ. "Ich wollte die geilste Fotoreportage der Welt machen", sagt der 39-Jährige, der heute darüber lachen kann, dass bei seinem Vorhaben plötzlich alles schiefging. "Es regnete wie verrückt, ich musste die Sachen durch die Nässe schleppen und hatte Blasen unter den Füßen", erzählt er. Wochen später kehrte er mit einer selbstgebastelten Kamera zurück. Damit schoss er Bilder, die ihm gefielen - und brachte ein erfolgreiches Buch heraus, das längst vergriffen ist. Nieder blieb beharrlich.

Es war der Anfang eines Weges, der ihn später nach Grönland führte und zur Liebe seines Lebens. Ein Weg, über den der 39-Jährige lächelt, als er einen Kaffee in Daun trinkt, wo er inzwischen wieder heimisch geworden ist. In den vergangenen Jahren waren die Polarlichter und Eisberge Grönlands die Heimat des Mannes aus der Vulkaneifel. Dort hat er mit einem großen Team ein Foto- und Filmkunstprojekt von schmelzenden Gletschern geschaffen, aus dem ein Buch und eine weltweit angesehene Ausstellung hervorgegangen sind (siehe Extra).

Hinter den Bildern aus Grönland stecken Monate, in denen Nieder mit Hundeschlitten über den Schnee fuhr, mit Booten an Eisbergen vorbeituckerte und in denen Schokoriegel in seiner Jackentasche stocksteif froren, während er an der Kamera saß. Denn in Grönland war es bitterkalt. -40 Grad. "Ich habe drei Lagen Unterhosen getragen und Wärmepacks in den Handschuhen. Das Eis mussten wir in Gaskochern zu Trinkwasser aufhitzen", sagt Nieder. Erzählt er von der Zeit, leuchten die Augen.Eisbären und Naturwunder


Das fängt schon bei dem Aufwand hinter den Fotos an. Ureinwohner aus Grönland begleiteten das Team. Nachts leuchteten sie die Gletscher mit Taschenlampen an, damit diese in den Bildern aus der Dunkelheit hervorstechen konnten. Die Grönländer halfen auch bei den gefährlichen Reisen durch den Schnee. "In Deutschland mache ich mir Gedanken, ob mein Auto richtig abgeschlossen ist. In Grönland war es wichtig, die Wachhunde so vor unseren Zelten aufzustellen, dass wir vor Eisbären-Attacken geschützt sind, während wir schlafen", erzählt Nieder.

Schrecksekunden blieben dem Fotografen erspart. Dafür sah er mit eigenen Augen, wie der Klimawandel Grönland verändert. Und dokumentierte es in Bildern. "Ich sehe seit Jahren, wie Gletscher kleiner werden und verschwinden. In Gegenden, in denen früher kein Baum stand, bauen Einwohner nun Kartoffeln und Erdbeeren an", sagt Nieder, den in Grönland besonders das spirituelle Leben begeistert hat. Einmal verfolgte er die Zeremonie eines Schamanen, der auf einem Berg stand, mit lauter Stimme sang und ein buntes Naturschauspiel würdigte. "Auf der einen Seite des Himmels ging die Mitternachtssonne auf, auf der anderen der Vollmond. Das ist nur an den nördlichen Ecken der Erde zu sehen. Erst nach einigen Minuten des Staunens habe der Fotograf auf seiner Kamera den Auslöserknopf drücken können. "Es war ergreifend."

Nicht nur wegen solchen Momenten hat er sein Herz an Grönland verloren. Seine Lebensgefährtin Laali hat er im Norden ebenfalls kennengelernt. Das Paar lebt mit Töchterchen Nivikka in Daun. Direkt über dem Studio von Hans Nieder, dem Vater von Sven.

Fotogeschäfte hat die Familie auch in Bitburg und Gerolstein. "Mein Opa hat Bilder gemacht, zwei Onkel, eine Tante und meine Cousinen", sagt Sven Nieder. Kein Wunder, dass er die Tradition fortsetzt. Nach den grönländischen Gletschern fasziniert ihn nun wieder die alte Heimat. Denn nicht nur der Jakobsweg oder Grönland geben gute Bilder her, sagt er. "Durch die Augen meiner Lebensgefährtin und meiner Tochter lerne ich die Vulkaneifel wieder ganz neu kennen. Dafür bin ich dankbar."Extra

Die Idee zu dem Projekt "Stella Polaris Ulloriarsuaq" hatte die Fotografin Nomi Baumgartl aus München. Ein Buch mit den schönsten Bildern ist im Eifelbildverlag in Daun erschienen, den Sven Nieder leitet. Die Ausstellung mit den Bildern, die schon in Hamburg und Los Angeles gezeigt wurde, kommt im Herbst auch nach Daun in die Galerie Augarde. Eine ausführliche Dokumentation des Projektes erscheint am 10. September auch im Volksfreund-Magazin "glanzvoll". flor Das Buch: Nomi Baumgartl/Sven Nieder/ Yatri N. Niehaus/Laali Lyberth/Christoph Quarch/Bernd Arnhold/Angaangaq Angakkorsuaq: Stella Polaris Ulloriarsuaq. Das leuchtende Gedächtnis der Erde. 184 Seiten, 69 Euro, Eifelbildverlag Daun, ISBN: 978-3-9814113-3-1.

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