"Wie damals in Jerusalem"

GEROLSTEIN. Der Palmsonntag, der Sonntag vor Ostern, wird in der katholischen Kirche traditionell als Jubelfest groß gefeiert. Die gesegneten Palmzweige werden auch heute noch in vielen Familien in Haus, Garten, Feld, Friedhof oder Auto verteilt.

"Das macht richtig viel Spaß", meinen Leonard Müller, Alexandra Wolf und Thierry Thömmes von der 56-köpfigen Schar der Kommunionkinder. Alle Kinder der Pfarreien St. Anna in Gerolstein und St. Bartholomäus in Rockeskyll sind zum Binden von "Palmbäumen", großen Buchsbaumbüscheln an Stöcken, eingeladen. Auch Cordula Werden ist mit ihrem Sohn Florentin gekommen. Der dreijährige Steppke ist sichtlich fasziniert. Oliver Röhl, der mit Sohn Tobias bunte Bänder an den Buchsbaum bindet, meint: "Diese Gemeinschaftsaktion ist vorbildlich." Lebendiges Glaubenszeichen

Am Nachbartisch ist Lisa-Maria mächtig stolz, weil ihre Oma ihr beim Binden hilft. Die 81-jährige Maria Außemer sagt: "Es ist wichtig, dass die Kinder diese Tradition mit auf den Weg kriegen." Ihre Enkelin verspricht: "Und nach den Osterferien nehm' ich auch einen Palmzweig mit in die Schule, damit am Kreuz in unserer Klasse auch gesegneter Zweig hängt." Sophie Bell, gebürtige Französin, meint: "Auch in Frankreich wird der Palmsonntag mit der Segnung der Zweige gefeiert, aber hier ist es mit den Kindern zusammen richtig schön und festlich." Gemeindereferentin Gerda-Marie Hoffmann erklärt: "Als Jesus in Jerusalem einzog, jubelten ihm die Leute mit Palmzweigen zu und legten sie als Teppich auf den Weg." Pastor Hans-Peter Müssenich segnete im Pfarrhof Körbe voller Buchsbaumzweige, die Kinder mit den geschmückten Palmbäumchen sowie alle Gläubigen. Der Pfarrer sagt: "Der gesegnete Palm ist ein lebendiges Glaubenszeichen im Haus und überall." In vielen christlichen Familien haben die grünen Glaubensbekenntnisse feste Plätze. Großmutter Außemer sagt: "Als Erstes natürlich in jedes Zimmer im Haus." An Kreuze, Türrahmen und ans Dachgebälk. Susanne Duppich zählt weitere Orte auf: "Und in den Garten, ins Auto und aufs Grab meines Mannes." Die Zweige im Garten würden jedes Jahr Wurzeln ziehen, sodass neue Buchsbaum-Büsche wachsen. Feierliche Prozession in die Pfarrkirche

Gemeindereferentin Hoffmann erinnert sich daran, dass früher auch an den Rand jedes Feldes, das bestellt wurde, ein gesegneter Palmzweig gesteckt wurde. An allen Ausgängen der Pfarrkirche St. Anna stehen Körbe mit gespendeten Palmzweigen. Die 69-jährige Duppich hält ein großes Bündel in der Hand, das sie von zu Haus mitgebracht hat. Sie sagt: "Diese Zweige verteile ich an Bekannte, die an Palmsonntag nicht in die Kirche gehen." Satte grüne Zweige als Segens- und Willkommenszeichen. "Wie damals in Jerusalem", meint Pfarrer Müssenich, und deshalb ziehen die Kinder und eine Schar Gläubige in einer Prozession in die Pfarrkirche, um einen munteren Familiengottesdienst zu feiern. Viele Kommunionkinder der zwei Pfarreien werden in zwei Wochen vielleicht daran zurückdenken. Am "weißen Sonntag" schmücken die gesegneten Palmbäume ihre Hauseingänge, wie bei Michelle Hendle, an deren Baum weiße Satinbändchen flattern. Viele Gläubige "entsorgen" die vertrockneten Palmzweige des Vorjahres nicht in der Mülltonne. Duppich sagt: "Ich verbrenne sie." Andere Gläubige werfen sie zerbröselt in den Garten oder streuen sie bei Spaziergängen im Wald aus. Gemeindereferentin Hoffmann erklärt: "Die Asche der verbrannten Palmzweige des Vorjahres ist die Asche des Kreuzzeichens, das an Aschermittwoch den Gläubigen auf die Stirn gezeichnet wird."

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