Schützen außen cool - innerlich voll mit Adrenalin

München (dpa) · Sie sind voll im Tunnel, verziehen keine Miene und atmen ruhig wie ein Apnoetaucher vor dem Tiefgang. Jede hektische Bewegung wird vermieden - könnte ja den Puls hochtreiben.

Für den Außenstehenden sieht es aus, als ob die Schützen bei der Schieß-Weltmeisterschaft in München mit einem Ruhepuls von ca. 50 Herzschläge pro Minute um den Titel schießen. Doch innerlich brodelt es, katapultiert der Wert im Wettkampf in Sekundenschnelle auf 120/min, bei massiver Belastung auch mal bis zu 180 Schläge pro Minute. „Das ist manchmal Adrenalin pur“, meinte der dreimalige Olympiasieger mit der Schnellfeuerpistole, Ralf Schumann. Und obwohl der Ruhepuls von der Kindheit und Jugend (80-90/min) bis ins höhere Alter (60-70/min) kontinuierlich abnimmt, ist selbst der 48-jährige Ausnahme-Schütze Schumann voll „unter Strom“.

Im Training wiederum ist alles anders. Da gehen sie unbelastet, locker an den Schießstand. Warum kann man nicht mit dieser Einstellung in den Wettkampf gehen? „Ich werde niemals einen Trainingszustand in einem bedeutsamen Wettkampf erreichen. Wichtig ist, dass ich vorher weiß, wenn ich in den Wettkampf gehe, ist der Zustand nicht so wie im Training“, meinte Verbandspsychologe Hannes Kratzer und verweist auf die trainierten Handlungsstrukturen und Automatismen, um diesen Zustand zu beeinflussen. Immerhin müssen die Schützen sich erst auf einen sicheren Stand konzentrieren, dann die Waffe stabil halten, zielen und dann noch ohne Wackeln den Abzug betätigen. Und wenn am Ende der über 100 Schüsse statt einer 10 nur eine 9 steht, ist die Finalteilnahme schon gefährdet, so eng ist die Weltklasse zusammengerückt.

Daher werden die Kaderathleten des Deutschen Schützen-Bundes (DSB) optimal betreut. Es erfolgt eine biomechanische Leistungsdiagnostik im Bereich der sportlichen Technik, eine sportmedizinische und sportphysiotherapeutische Betreuung im Bereich Prävention, Rehabilitation, konditionelle Grundausbildung und spezielle Kondition sowie die Sportpsychologische Betreuung im Bereich Taktik und Psyche. Doch der Druck der Heim-WM lastet schwer. „Vor dem ersten Schuss schnellt der Puls in die Höhe, danach fällt er leicht wieder ab. Wenn es gut läuft, hält er sich auf einem gewissen Niveau. Und wenn man dann mal eine Acht schießt, knallt er sofort wieder nach oben - ohne dass dies jemand von außen sieht“, meinte der erst 22-jährige Gewehrschütze Julian Justus aus Homberg, der im Training mit einem 60er Puls schießt.

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